• Ein zufriedener Samuel Lanz auf der Redaktion des «Unter-Emmentaler». Der Huttwiler blickt auf ein überaus vielfältiges und erfülltes Leben zurück und ist auch heute noch äusserst aktiv unterwegs. · Bild: Walter Ryser

  • Samuel Lanz mit dem bekanntesten Behindertensportler der Schweiz, Heinz Frei. · Bild: zvg

22.01.2024
Huttwil

«Sami» Lanz war als Quereinsteiger und «Banause» in Sport und Politik erfolgreich

Samuel Lanz bezeichnet sich selbst als «Sport-Banause» und unpolitischen Menschen. Umso erstaunlicher ist es, dass er sich

25 Jahre lang überaus erfolgreich als Funktionär im Rollstuhl-Leichtathletiksport betätigt hat und 13 Jahre lang als Gemeinderat

in Huttwil engagierte. Daneben war er viele Jahre auch ein leidenschaftlicher Fasnächtler. Heute ist der 77-jährige Huttwiler nicht mehr so oft in der Öffentlichkeit präsent, aber ruhiger verläuft sein Leben deswegen noch lange nicht. Samuel Lanz ist mittler­weile als Geschichtenerzähler unterwegs, was ihm sehr viel Spass mache, wie er gegenüber dem «Unter-Emmentaler» erzählte.

Was macht eigentlich...? · «Was macht eigentlich …» lautet der Titel einer Serie über Menschen in unserer Region im «Unter-Emmentaler». Bei Samuel Lanz aus Huttwil müsste man allerdings den Titel leicht abändern und fragen: «Wie machte er das eigentlich …» Denn beim heute 77-jährigen Rentner weiss man gar nicht so recht, wo man beim Blick auf sein bisheriges Leben genau beginnen soll, so vielfältig, umfangreich und bewegt war dieses. Starten wir doch damit, dass Samuel Lanz in Huttwil aufgewachsen ist und ursprünglich Maurer gelernt hat. Bekannt ist er den meisten Leuten in der Region aber als versierter und zuverlässiger Versicherungs-Fachmann. Als er nämlich nach einem beruflichen Abstecher nach Basel, wo er im Kantonalen Amt für Zivilschutz arbeitete, 1982 wieder nach Huttwil zurückkehrte, liess er sich zum Versicherungs-Fachmann ausbilden. Bis zu seiner Pensionierung arbeitete er anschliessend in verschiedenen Funktionen in Huttwil, Bern und Langenthal für die damalige «Winterthur Versicherungen». Er habe diesen Job geliebt, sagt er rückblickend, «weil das Versicherungswesen damals noch eine rein persönliche Angelegenheit war.» Heute würden sich viele Leute vorerst im Internet informieren, vielleicht sogar eine Versicherung auf diesem Weg abschliessen. Samuel Lanz sagt deshalb: «Ich vermisse noch heute hin und wieder den Kontakt zu den Leuten, den ehemaligen Kunden, weil ich das immer sehr gerne gemacht habe.»

Mit Sport «nichts am Hut»
Kontakte zu Menschen, das hat auch das übrige Leben von Samuel Lanz geprägt, in Sport und Politik. Dabei muss «Sami» Lanz, wie er allgemein bekannt ist, herzhaft lachen, denn er gesteht, dass er sich eigentlich nie vorstellen konnte, in diesen Gebieten tätig zu sein. Er habe sich politisch nicht mehr interessiert als der «Durchschnitts-Schweizer» («via Zeitungen und der Tagesschau im Fernsehen») und mit Sport habe er überhaupt nichts «am Hut» gehabt. Er sei ein richtiger «Sport-Banause» gewesen, sagt er von sich. Und doch war er über 25 Jahre lang einer der wichtigsten, einflussreichsten und bekanntesten Funktionäre im Rollstuhlsport Schweiz, Leichtathletik. Wie die «Jungfrau zum Kinde» sei er dazu gekommen, bemerkt er dazu.
Der Kiwanis-Club Langenthal (KCL) hat 1994 die Aufgabe übernommen, die Rollstuhl-Leichtathletik-Schweizermeisterschaften durchzuführen. Allerdings habe man dafür keinen OK-Präsidenten gefunden. Irgendwann habe dann Bernhard Krummenacher, damaliger Präsident des KCL, ihn angefragt, erinnert sich Samuel Lanz und sagt lachend: «Die haben damals wohl gedacht, der von der ‹Winterthur› hat ja eh nichts zu tun und kann das gut erledigen.» Er sei sich bewusst gewesen, dass er administrativ und organisatorisch die nötigen Voraussetzungen für dieses Amt mitbringe, «aber vom Sport selbst hatte ich überhaupt keine Ahnung», bemerkt «Sami» Lanz. Dennoch hat er zugesagt und dieses Amt übernommen. «Dabei hat es mir dann so richtig, auch als Kiwaner und Mitglied des Kiwanis-Club Langenthal, den Ärmel reingezogen», fügt er hinzu.
Was dies genau heisst, verdeutlicht ein Überblick über sein Engagement im Rollstuhl-Leichtathletiksport. Nicht weniger als acht Mal war er OK-Präsident einer Schweizermeisterschaft, fünfmal war er in gleicher Funktion an den ParaAthletics in Nottwil im Einsatz, dazu war er OK-Präsident der Junioren-WM 2009 in Nottwil. Später begleitete er acht Mal die Schweizer Rollstuhl-Fahrer als Delegationsleiter an den Berlin-Marathon und viermal nach Japan an den Marathon von Oita. Viele weitere Einsätze als Delegationsmitglied an internationalen Wettkämpfen kamen dazu und als absolute Highlights das Mitwirken in den Schweizer Rollstuhl-Leichtathletik-Delegationen an den Paralympics 2004 und 2008 in Athen und Peking. Es verwundert deshalb nicht gross, wenn Samuel Lanz von dieser Zeit schwärmt. «Der Zusammenhalt unter den Athleten und Betreuern war für mich das Eindrücklichste, was ich während dieser Zeit erleben durfte. Ich war fasziniert davon, mit welch grosser Selbstverständlichkeit diese Leute ihr Handicap annahmen und damit umgingen, während wir bei gesundheitlichen Bagatell-Fällen oft schon der Verzweiflung nahe sind», gibt Samuel Lanz zu verstehen. Unvergessen bleibt dem Huttwiler aber auch das Nationalstadion von Peking, das sogenannte «Vogelnest», in dem die Paralympics 2008 stattfanden. «Dieser Ort war während 14 Tagen praktisch mein Wohnzimmer, ich bin hier ein- und ausgegangen, das war wirklich faszinierend», schildert er seine Erlebnisse.

In die Politik reingerutscht
Während seiner Zeit als Funktionär im Rollstuhl-Leichtathletiksport seien sehr viele Freundschaften entstanden, die bis heute halten würden. So habe er immer noch Kontakt mit ehemaligen und aktuellen Grössen dieses Metiers, wie Heinz Frei, Edith Hunkeler, Manuela Schär oder Marcel Hug, mit denen er sich gelegentlich trifft oder Kontakt via WhatsApp hat. Auch besuche er einzelne Veranstaltungen in Nottwil und halte so den Kontakt zu dieser Szene aufrecht. Sein Engagement im Behindertensport war auch in der Region bekannt und so ist es fast logisch, dass Samuel Lanz 2016 als OK-Präsident der Hornusserfeste auf dem «Huttu Bärg» amtete (Oberaar­gauisches und Interkantonales Fest).
Ähnlich wie mit dem Sport verhält es sich auch mit der Politik, in die er ebenfalls einfach so reingerutscht sei. Obwohl er bis zu diesem Zeitpunkt nie politisch aktiv war, wurde er 1985 auf Anhieb für die FDP in den Gemeinderat von Huttwil gewählt, wo er mit einem kurzen Unterbruch insgesamt 13 Jahre tätig war. Weil er sich bis zu jenem Zeitpunkt kaum mit Politik befasst habe, sei der Einstieg nicht einfach gewesen, «denn ich musste mich in Geschäfte und Themen einarbeiten, mit denen ich mich sonst wohl nie befasst hätte», bemerkt «Sami» Lanz. Neben dem Beruf, der Familie und seinen vielfältigen Engagements im Behindertensport sei das nicht ganz einfach gewesen, diesen Zusatz-Effort zu leisten, erwähnt er. Das sei nur möglich gewesen, dank der grosszügigen Unterstützung seiner Frau Eveline.
Samuel Lanz gibt zu, dass er dieses Amt zwar gerne ausgeübt, manchmal aber auch als reine Pflichtaufgabe wahrgenommen habe, weil er gewählt worden und damit in der Verantwortung gestanden sei. Heute verfolge er die Politik wieder so wie früher, via Medien, die Lokalpolitik in erster Linie durch Artikel im «Unter-Emmentaler». Nach Möglichkeit sei er an den Gemeindeversammlungen anwesend.

300 Schnitzelbank-Verse verfasst
Wenn man die Ausführungen von Samuel Lanz bis hier verfolgt hat, dann kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen, dass er viele Jahre lang auch ein leidenschaftlicher Fasnächtler war und zuerst als «Scheich Samul» und später zusammen mit seinem Kollegen Peter Mathys sowie dem heutigen Langenthaler Stadtpräsidenten Reto Müller als Schnitzelbankgruppe auftrat («Güfi-Wagner»). In dieser Funktion habe er rund 300 Schnitzelbank-Verse verfasst, bemerkt er.
Schreiben, das tut er auch heute noch, aber keine Schnitzelbank-Verse mehr, vielmehr sind es Kurz-Geschichten, die er für sich verfasst hat und nicht veröffentlichen will. Dennoch gelangen diese an die Öffentlichkeit, weil «Sami» Lanz diese erzählt, in Altersheimen, an Altersnachmittagen oder in den Schulen der Region. «Das bereitet mir grosse Freude», erwähnt er, mit dem Hinweis, dass er auch dieses Jahr bereits etliche Auftritte zugesagt habe. Daneben beschäftige er sich zu Hause im Garten, mit seinem Aquarium oder den Enkelkindern und ist als Sänger in einem Jodler-Chörli aktiv. Seit dem Tod seiner Frau Eveline vor fünf Jahren koche er jeden Tag selber und verrichte den Haushalt mit Hilfe einer guten Seele, die alle zwei Wochen den «Cher» im Haus macht, nach wie vor selbst, sagt er. Und im letzten Sommer besuchte er seinen 88-jährigen Bruder Hannes, der 1960 nach Asien ausgewandert ist und heute in Hongkong lebt, im 55. Stock eines Hochhauses, mit fantastischer Aussicht auf die Stadt und die Bucht. Hier treffe er auf eine völlig andere Welt als bei uns. «Alleine im Hochhaus, in dem mein Bruder wohnt, leben 5000 Personen, so viele wie in Huttwil», berichtet er fasziniert.
Nein, Langeweile, das kennt Samuel Lanz noch immer nicht. Langweilig war der Blick zurück auf sein Leben ebenfalls nicht, vielmehr schwingt Bewunderung mit für eine Person, die sich viele Jahre für die Allgemeinheit engagiert und unzählige Stunden Freiwilligenarbeit verrichtet und damit einen wertvollen Dienst für unsere Gesellschaft geleistet hat – etwas, das heute je länger desto mehr zu einem raren Gut verkommt …

Von Walter Ryser