• Claudine Gsponer und Hanspeter Imhooff mit zwei ihrer gesamthaft neun Katzen: Slivi (Mitte) und Fly. · Bild: Marion Heiniger

  • Claudine Gsponer mit einem ihrer jüngsten Schützlinge. · Bild: Marion Heiniger

  • Die ältere Dame Mörsy musste viele Schmerzen erleiden. · Bild: Marion Heiniger

  • Seit der Operation ist für Fly das Klettern kein Problem mehr. · Bild: Marion Heiniger

24.01.2022
Emmental

Schnelle Hilfe für notleidende Tiere

Seit bald fünf Jahren leitet Claudine Gsponer den Verein Tierlihilfe. Vor eineinhalb Jahren ist sie zusammen mit ihrem Mann Hanspeter Imhooff und neun Katzen von Gümligen nach Waltrigen (Häusernmoos) gezogen und beherbergt in ihrem grossen Haus zeitweise bis zu zwölf Pflegekatzen. Dank einem grossen Netzwerk kann die Tierlihilfe rasch und unkompliziert bei Findelkatzen, Kastrationsaktionen und Vermittlungen handeln. Finanziert wird der Verein durch Spenden sowie Mitglieder- und Gönnerbeiträge.

Waltrigen / Häusernmoos · Könnte Fly reden, so würde er sich wohl bei der Tierlihilfe insbesondere bei Claudine Gsponer und ihrem Mann Hanspeter Imhooff mit den liebsten Worten bedanken. Der weisse Kater, der nur am Schwanz einige dunkle Flecken aufweist, kam mit verkrüppelten Hinterbeinen auf die Welt und wurde zusammen mit seinen Geschwistern Flo und Fly im Herbst 2019 durch den Verein Tierlihilfe von einer Alp im Gantrischgebiet geholt. Drei erwachsene Katzen, ebenfalls von dieser Alp, wurden eingefangen, kastriert und wieder zurückgebracht. Fly und seine beiden Brüder blieben in Gümligen bei Claudine Gsponer, der Gründerin des Vereins Tierlihilfe. «Durch seine Beeinträchtigung wollte ich Fly dort nicht nach draussen lassen», erzählt die Tierfreundin. Also machte sie sich zusammen mit ihrem Mann auf die Suche nach einem Haus mit geeigneter Umgebung für Katzen und wurde in Waltrigen, Häusernmoos, fündig. Das grosse Haus, das 1802 als Wirtshaus gebaut und seit 1891 vom Evangelischen Gemeinschaftswerk genutzt wurde, war für ihr Vorhaben ideal. Zusammen mit ihren neun Katzen ist das Ehepaar im August 2020 in ihr neues Zuhause umgezogen. Kurz vor dem Umzug wurde Fly operiert und seine beiden Hinterbeine mithilfe von Metallplatten in eine normale Position gebracht. Eine lange Pflegeodyssee folgte. Heute sind weder Treppen noch Bäume ein Problem für den aufgeweckten weissen Kater.

Schnell und unkompliziert
Noch in Gümligen wohnhaft war Claudine Gsponer bei einer Tierschutzorganisation in der Region Bern aktiv. «Mir wurde die Organisation durch ihre Grösse aber zu schwerfällig, ich wollte schneller und unkomplizierter agieren können», gesteht die 50-jährige gebürtige Walliserin und gründete im Jahr 2017 den Verein Tierlihilfe. Unterdessen verfügt Claudine Gsponer über ein beachtliches Netzwerk zu Tierschutzorganisationen in der ganzen Schweiz.
Dank vieler Facebook-Freunde, dem grossen Netzwerk des Evangelischen Gemeinschaftswerkes, bei welchem sie anknüpfen konnte, sowie den bereits bestehenden Kontakten zum Tierschutz Emmental und Oberaargau fasste die Tierlihilfe in Waltrigen schnell Fuss. Der Verein verspricht rasche und unkomplizierte Hilfe für notleidende Tiere, führt Kastrationsaktionen durch, bietet Unterstützung beim Vorgehen mit Fundtieren, tritt beratend bei der Abgabe oder Vermittlung von Haustieren auf und unterstützt Tierbesitzer bei Haltungsfragen oder finanziellen Engpässen, wie beispielsweise Tierarztrechnungen.

Ein Herz für Katzen
Obwohl Claudine Gsponer auch bei Bedarf vermittelnd bei Hunden und anderen Haustieren auftritt, schlägt ihr Herz ganz klar für Katzen. Um den eigenwilligen Tieren gerecht zu werden, machte sie eine Zusatzausbildung zur Tierbetreuerin und bietet in ihrem grossen Haus in Waltrigen Platz für zwölf Pflegekatzen an. «Durch meine Ausbildung als Tierbetreuerin wäre ich berechtigt, 19 Pflegekatzen aufzunehmen, doch der Platz reicht dazu momentan noch nicht aus», erklärt Claudine Gsponer. Obwohl dauerhaft 19 Pflegekatzen das Ehepaar durch teilweise hohe Betreuungsaufwendungen zeitlich an ihre Grenzen bringen würde, möchte Claudine Gsponer beim nächsten Besuch des Veterinäramtes ein weiteres Katzenzimmer bewilligen lassen. «Da wir beide Vollzeit arbeiten, wird sich zeigen, ob wir dann wirklich 19 Katzen aufnehmen können und möchten. Am wichtigsten ist uns, dass wir den Katzen gerecht werden.»
Zurzeit seien nur fünf Pflegekatzen zu Gast, erklärt Hanspeter Imhooff bei einem Rundgang durch Haus. Im grössten Katzenzimmer, welches sich im ehemaligen Gemeinschaftsraum des Evangelischen Gemeinschaftswerkes befindet, schlafen drei kleine Tigerkätzchen und ihre Mutter auf den unzählig vorhandenen Katzenbäumen. «Die Mutter wird, sobald es möglich ist, kastriert und geht danach wieder nach Hause zurück, die drei kleinen Racker dürfen wir an gute Plätze weitervermitteln», freut sich Claudine Gsponer.
In der Wohnung des Ehepaars im ersten Stock lebt die fünfte Pflegekatze Mörsy in einem weiteren liebevoll eingerichteten Katzenzimmer. Da sie Spezialfutter erhält, wird sie allein gehalten. «Mörsy wurde angeschossen, und vermutlich ebenfalls durch einen Schuss hat sie auch keinen Schwanz mehr», erzählt Claudine Gsponer traurig. Durch den fehlenden Schwanz hat Mörsy Probleme mit dem Urinabsatz und darf nur mit Windeln in der Wohnung umherstreifen. (Unterdessen konnte Mörsy an einen guten Platz vermittelt werden).
In jedem Katzenzimmer sind Kameras installiert, die Bilder auf ein Handy übertragen. «Das kann sehr hilfreich sein, wenn beispielsweise Katzen sehr scheu sind. So können wir sie aus der Ferne beobachten und sehen, ob sie in ihrer neuen Umgebung zum Fressen aus ihrem Versteck kommen», erklärt Hanspeter Imhooff, der von seiner Frau oft mit baulichen Aufgaben beauftragt wird.

Strikte Vorgaben bei Vermittlungen
Hochbetrieb herrscht bei der Tierlihilfe meist im Frühling und Herbst, wenn die jungen Katzen zur Welt kommen. Nicht selten werden trächtige Kätzinnen bei Claudine Gsponer abgegeben. Nach der Geburt wird die Mutter kastriert und zu gegebener Zeit nach Hause zurückgebracht oder an einen guten Platz weitervermittelt. Die jungen Tiere werden erst ab vier Monaten abgegeben, damit sie noch genügend Zeit mit der Mutter und den Geschwistern verbringen können. Diese Zeit sei für die Sozialisierung wichtig. Fehle diese «Kinderstube», drohen Verhaltensstörungen wie Unsauberkeit, Angst oder Aggression, weiss die erfahrene Tierbetreuerin.
Dieser Schritt steht dem Ehepaar in Kürze auch mit der kleinen Tigerkatzen-Gastfamilie bevor. Abgegeben werden die Katzen nur an geeignete Plätze. «Wir holen uns vor jeder Vermittlung einen Eindruck vor Ort, keine Katze wird einfach so abgegeben», erklärt Claudine Gsponer. So kam es auch schon vor, dass Interessenten zurückgewiesen wurden. «Hier sind wir sehr strikt und machen uns dadurch auch nicht immer beliebt.» Kriterien, welche für ein geeignetes neues Zuhause sprechen, sind beispielsweise ein sicherer Freigang, das neue Zuhause sollte sich nicht an einer Hauptverkehrsachse befinden, ebenso muss die Katze durch eine Katzentüre jederzeit Zugang zum Haus haben.

Aufwendige Kastrationsaktionen
Weitere Dienstleistungen, welche der Verein Tierlihilfe anbietet, sind Kastrationsaktionen. «Es gab letztes Jahr eine lustige Situation, als ich wegen einer zugelaufenen Katze kontaktiert wurde, die ich abholen sollte», erzählt Claudine Gsponer. Dort angekommen merkte sie während des Gesprächs schnell, dass diese Person zwar gleich hiess, es aber nicht das richtige Haus war. «Daraus entwickelte sich jedoch schnell eine Kastrationsaktion und wir haben 13 Katzen eingefangen, kastriert und wieder zurückgegeben», erinnert sich Claudine Gsponer. Zwei Würfe kleiner Katzen nahm sie mit und suchte für sie ein neues Zuhause.
Finanziert wurde die Aktion über die Tierlihilfe sowie die Susy Utzinger Stiftung (eine Stiftung für Tierschutz mit Sitz in Kollbrunn), einen kleinen Beitrag hat auch der Katzenbesitzer dazugesteuert. «Kastrationsaktionen kommen häufig zufällig zustande und sind für den Tierarzt meist ein organisatorischer Kraftakt, wenn wir gleichzeitig mit 13 Katzen anreisen», weiss die Vereinspräsidentin aus Erfahrung. Ein Kraftakt ist es häufig auch für die Mitglieder der Tierlihilfe, denn solche Aktionen sind sehr zeitaufwendig. «Sie sind erst dann erfolgreich, wenn wir alle Katzen eingefangen haben», erklärt Claudine Gsponer. Dabei muss sie einiges an Personal mobilisieren und Katzenfallen bereitstellen. «Ich erinnere mich an eine Kastrationsaktion im Simmental, die sechs Wochen dauerte, bis wir alle Katzen eingefangen hatten.»
Rasche Hilfe bietet der Verein auch bei Findelkatzen oder unerfahrenen Katzen. «Wir verfügen über ein Chip-Lesegerät. Falls die Katze gechipt ist, haben wir den Besitzer schnell ausgemacht.» Doch ist die Katze nicht gechipt, erhöht sich der Aufwand um einiges. Herrenlose Katzen werden mindestens zwei Monate lang bei der schweizerischen Tiermeldezentrale (STMZ) ausgeschrieben und bei der Facebook-Gruppe «Vermisste und gefundene Katzen Kanton Bern» veröffentlicht.
Kann kein Besitzer ausgemacht werden, werden diese Katzen getestet, geimpft, gechipt, kastriert (sofern alt genug) und an gute Plätze weitervermittelt. Als Vermittlungsgebühr werden 250 Franken erhoben, ein Betrag, der bestenfalls die angefallenen Tierarztkosten deckt.

Minimaler Werbeaufwand
Finanziert wird der Verein Tierlihilfe durch Spenden, Mitglieder- und Gönnerbeiträge sowie durch die Vermittlungsgebühr der Katzen. Werbung macht der Verein kaum. «Mir ist es wichtiger, dass das Geld den Tieren zugutekommt und nicht in der Werbung verschwindet», lässt Claudine Gsponer durchblicken. Sie versucht denn auch, auf anderen Wegen bekannt zu werden. «Vor Corona waren wir oft an Märkten präsent, was sich in der momentanen Lage aber als schwierig erweist», erklärt die Katzenliebhaberin. Zudem funktioniere die Mund-zu- Mund-Propaganda sehr gut.
In einem nächsten Schritt möchte sie entsprechende Institutionen ansprechen und eine weitere Dienstleistung anbieten. So könnte sie sich durchaus vorstellen, für ältere, nicht mehr mobile Personen gegen eine kleine Spende für die Tierlihilfe Tierarztbesuche für ihre Haustiere zu koordinieren und durchzuführen. Zudem verkauft Claudine Gsponer über ihren Web-Shop Katzenartikel. Das Sortiment reicht von Gästehandtüchern mit Katzenmotiven über Katzen-Seifenspender bis hin zu Wäscheklammern mit Katzensujet. «Der Gewinn fliesst vollumfänglich in den Verein», verspricht Claudine Gsponer.

 Gut zu wissen
www.tierlihilfe.ch: tierlihilfe@gmail.com. Spendenkonto: IBAN CH54 0900 0000 6141 7300 7, PC 61-417300-7; Twint: 079 210 89 54 (mit Vermerk: Tierlihilfe) oder PayPal: paypal.me/tierlihilfe. (Spenden können von den Steuern abgezogen werden). Tel. 079 210 89 54.

Von Marion Heiniger