• Die mögliche Schliessung des Schulhauses Gassen erhitzt die Gemüter. · Bild: Leroy Ryser

  • An einer Konsultativabstimmung sprach sich eine Grossmehrheit der 52 anwesenden Stimmberechtigten gegen die Schliessung des Schulstandortes Gassen aus. · Bild: Marion Heiniger

10.09.2020
Oberaargau

Schulhaus Gassen: Enttäuschung und Unmut über die mögliche Schliessung

Das Hauptthema an der ordentlichen Versammlung der Schulgemeinde Klein-Emmental war das Traktandum der Schulreorganisation. Die Gemeinderäte von Walterswil und Dürrenroth möchten den Schulstandort Gassen schliessen. Die Schulgemeinderäte wie auch die anwesenden Stimmberechtigten brachten an der Versammlung ihren Unmut und ihre Enttäuschung für dieses Vorhaben zum Ausdruck. Sie möchten dabei nichts unversucht lassen, um die Bevölkerung am bevorstehenden Informationsanlass vom 17. September vom Schulstandort Gassen zu überzeugen.

Walterswil / Dürrenroth · «So viele Stimmberechtigte waren noch nie an einer Schulgemeindeversammlung», freut sich die Sekretärin des Schulgemeinderates Klein-Emmental, Manuela Schär. 52 Personen fanden den Weg am vergangenen Montagabend ins Schulhaus Gassen, das sind über 18 Prozent aller Stimmberechtigten. Das grosse Interesse war angesichts des dritten Traktandums nicht überraschend. Es ging um die Schulreorganisation, genauer gesagt um die mögliche Schliessung des Schulstandortes Gassen. Ein brisantes Thema, das auch an diesem Abend die Gemüter erhitzte.
Was bisher geschah: Die Gemeinderäte von Walterswil und Dürrenroth beabsichtigen, aufgrund der sinkenden Schülerzahlen, den Schulstandort Gassen zu schliessen und die Schüler auf die umliegenden Schulhäuser in Walterswil und Dürrenroth zu verteilen (der «Unter-Emmentaler» berichtete). Damit sollen Kosten von jährlich über 180 000 Franken eingespart werden. Der Schulgemeinderat Klein-Emmental wirft den beiden Gemeinderäten vor, dass sie nicht in die Vorbereitungen miteinbezogen wurden und in der Botschaft keine Alternativen zur Radikallösung angeboten haben. Aufforderungen zur Stellungnahme seien so kurz befristet gewesen, dass die Schulgemeinde sie nicht seriös hätte vornehmen können. Die Schulgemeinde hält ausserdem fest, dass die vorgeschlagene Schulschliessung lediglich auf Gemeinderatsebene und nicht auf Druck des Kantons entstanden sei. Zudem hätten die Gemeinderäte es unterlassen, über den Sparwillen der Schulgemeinde und die möglichen Folgen der Schulschliessung für die betroffenen Kinder und deren Familien zu informieren. Eine zuvor von den Gemeinderäten eingesetzte Arbeitsgruppe, welche bereits einen für die Schulgemeinde annehmbaren Lösungsansatz erarbeitet hatte, wurde aufgelöst. Dabei ist die Schulgemeinde Klein-Emmental durchaus bereit zu sparen, wie sie ihrerseits in einer Botschaft beteuerte.
Berechnungen zeigen, dass mit der Schliessung der Schule Gassen und die damit verbundene Auflösung der Schulgemeinde Klein-Emmental gegenüber dem erarbeiteten Modell der Arbeitsgruppe nur kleine Einsparungen möglich sind. Bisher waren die Gemeinderäte noch zu keinem gemeinsamen Gespräch bereit.

Über die Köpfe hinweg entschieden
Dass der Schulgemeinderat Klein-Emmental nicht in die Vorbereitungen der beiden Gemeinderäte von Walterswil und Dürrenroth miteinbezogen wurde, ist dem Schulgemeinderatsmitglied Stefan Zaugg ein Dorn im Auge, wie er an der Versammlung zu verstehen gab. Er blickte chronologisch nochmals auf das bereits Geschehene zurück und betitelt das Vorgehen der beiden Räte zusammenfassend als «egoistisch» und «unkooperativ», was ihm einen grossen Applaus der Anwesenden Stimmberechtigten einbrachte. Ebenfalls anwesend an der Versammlung waren Gemeinderatsvertreter beider Gemeinden sowie die beiden Schulinspektoren Christoph Schenk, Kreis 9, zuständig für die Gemeinde Dürrenroth, und Kaspar Stocker, Kreis 10, zuständig für die Gemeinde Walterswil.
Nach den Ausführungen von Stefan Zaugg meldeten sich auch gleich einige besorgte Bürger zu Wort. Ein Familienvater sagte, er sei von den Gemeinderäten masslos enttäuscht. Sie hätten über die Köpfe der Schulgemeinde Klein-Emmental hinweg entschieden und damit nicht im Sinne der Bevölkerung gehandelt. Ein weiterer Vater erzählte, dass er mit seiner Familie vor zwei Jahren wegen der Nähe zum Schulhaus nach Gassen gezogen sei. Eine andere Familie wohnt seit elf
Jahren in Gassen. Sie hatten in dieser Zeit immer wieder Pflegekinder, welche in den kleineren Klassen im Schulhaus Gassen sehr gut aufgehoben waren. Die Schule habe eine sehr gute Struktur, deshalb können die Familien nicht verstehen, dass man dies wegen geringer Einsparungen zunichtemachen wolle.
Ebenfalls ein Thema war die Sicherheit auf dem Schulweg. Explizit angesprochen wurde ein dringend benötigter Radweg oder zumindest ein Radstreifen auf der stark befahrenen Hauptstrasse in Richtung Dürrenroth, falls das Schulhaus Gassen geschlossen werden müsste. «Sicherheit geht vor, was kostet denn so ein Radweg», fragte eine besorgte Mutter in die Runde. «Diese Kosten könne man sich sparen, wenn die Schule Gassen bleibt», ist eine andere Mutter der Meinung. Durch den gefährlichen Schulweg befürchten einige eine Abwanderung der Familien aus Gassen.
Eine weitere Frau nannte die Handlung der Gemeinderäte als überstürzt. Sie frage sich, ob nicht etwa Eifersucht, Selbstverwirklichung oder gar Missgunst dahinterstecke. Der Ärger und die Enttäuschung der anwesenden Bürger waren deutlich zu spüren.
 
Infoanlass nur an einem Ort
Andreas Minder, Gemeindepräsident von Dürrenroth, meldete sich ebenfalls zu Wort. Es müsse zuerst die Grundsatzfrage, ob das Schulhaus Gassen weiter bestehen soll oder nicht, geklärt werden, bevor die Details besprochen werden können, sagt er zur Versammlung. Doch diese teilten die Meinung der Gemeinderäte nicht – eher im Gegenteil. Genau diese Details führen zu einer ehrlichen Kommunikation und einer gerechten Abstimmung. Für ein Ja oder ein Nein zum Schulhaus Gassen müssten vorgängig auch mögliche Lösungswege aufgezeigt werden können, damit die Bevölkerung sich mit allen Fakten auseinandersetzen kann.
Der geplante Informationsanlass am 17. September soll gemäss Entscheidung der beiden Gemeinderäte nur in Walterswil stattfinden. Katharina Has-ler, Gemeindepräsidentin von Walters-wil, erklärte, dass der Anlass bewusst nur an einem Ort geplant sei, damit alle Bürger von beiden Gemeinden die Meinung der anderen Bürger hören könnten. Der Schulgemeinderat jedoch befürchtet, dass viele Dürren­rother den Weg nach Walterswil nicht auf sich nehmen wollen, im eigenen Dorf die Veranstaltung aber besuchen würden. Aus diesem Grund befürworten sie zwei Informationsveranstaltungen, eine in jedem Dorf.

Den Puls gespürt
Um den Puls zu spüren, liess Schulgemeindepräsident Urs Hirschi eine Konsultativabstimmung durchführen. Eine solche Abstimmung ist zwar nicht rechtsgültig, widerspiegelt aber dennoch die Meinung der Stimmberechtigten. Auf die Frage, ob der Schulstandort Gassen erhalten bleiben soll, gab die Versammlung ein eindeutiges zustimmendes Zeichen. Ebenso bejahend wurde die Frage, ob der Informationsanlass in beiden Ortschaften durchzuführen sei, beantwortet.

Von Marion Heiniger