• Ein Kehlblech soll entstehen ...

  • ... Es wird geformt – man muss schon wissen, wie man es in die Abbiegemaschine legen muss ...

  • ... und fertig ist das Kehlblech – das nächste Dach wartet bestimmt.

  • Seit vielen Jahren ein eingespieltes Team, das sich gegenseitig unterstützt und schätzt: Bruno und Monika Hebeisen.

18.04.2023
Oberaargau

Sie fanden den Mut zur Selbständigkeit

Viele kennen ihn unter dem Namen «Bläächi», den er seit mehr als 20 Jahren trägt. Letzten Herbst hat sich Bruno Hebeisen als Dachdecker und Spengler mit der «Bläächi» GmbH selbstständig gemacht. Wie findet man als sechsfacher Familienvater den Mut, seinen sicheren Job aufzugeben und sich selbstständig zu machen?

Eriswil/Grünen · «Per Zufall. Oder zumindest nicht geplant, es hat sich einfach so ergeben», sagt er. Ausschlaggebend war, dass er und seine Frau Monika Hebeisen die alte Landi in Grünen kaufen konnten. Womit sie eigentlich nicht gerechnet hatten, sich aber sehr freuten, als es dann doch gelang. «An meinem 40. Geburtstag, am 1. September 2021, haben wir die Landi übernehmen können», erzählt «Bläächi» strahlend. Der hintere Teil der alten Landi war vermietet, der vordere Teil des grossen Gebäudes nicht. Das Familienprojekt startete, und so fing die ganze Familie an, zuerst im hinteren und dann im vorderen Teil umzubauen mit dem Gedanken, auch den vorderen Teil des Gebäudes zu vermieten.

Selbständigkeit gewagt
«Irgendwie war für uns schon länger klar, dass wir noch einmal etwas anreissen wollen. Wir haben vor gut zehn Jahren unser Zuhause kaufen und umbauen können, haben sechs gesunde Jungs und sind noch jung. Ich wollte nicht in den Alltagstrott verfallen und bis zu meiner Pensionierung tagein tagaus das Gleiche machen. Mit dem Kauf der Landi kam dann der Stein ins Rollen und eines Tages sagte ich während dem Umbauen zu Monika: Wie wäre es, wenn ich mich selbstständig mache? Wir dachten uns, wenn nicht jetzt, wann dann? Und die Gelegenheit mit dem Landi Gebäude konnte ja nicht besser sein», erzählt Bruno Hebeisen. Gesagt getan, oder? «So einfach war es nicht, wir hatten unser Geld für den Kauf der Landi gebraucht. Wir machten uns tagelang und nächtelang Gedanken, natürlich auch über die Finanzierung. Doch eines Tages war die Entscheidung für mich gefallen. Und meine Frau sagte mir, wenn du das willst, dann helfe ich dir», erklärt der Spengler die Entscheidung. Es habe viel Mut gebraucht und die Unterstützung von seiner Frau sei enorm wichtig gewesen. Familie und Freunde machten ihm ebenfalls Mut. Und so entstand die «Bläächi GmbH», in der auch Monika Hebeisen involviert ist.
Durch Sparen, Streichen der Skiferien und vielen Verzichten konnte Bruno Hebeisen am 1. August 2022 seine Selbstständigkeit starten. Hatte er denn keine Angst, seine Familie nicht mehr ernähren zu können, falls es mit der Selbstständigkeit nicht klappen würde? «Klar habe ich mir Gedanken gemacht. Ich habe Verantwortung für meine Frau und meine sechs Jungs. Aber ich hatte nicht mehr zu verlieren, als das Startkapital für die GmbH. Ich wusste, wenn ich keine Aufträge bekomme, würde ich mich an andere Firmen ausmieten oder mich wieder als Spengler oder Dachdecker oder als was auch immer anstellen lassen», erklärt der 41-Jährige seinen Plan B. Grosses Glück habe er gehabt, dass er einen grossen Teil der Maschinen, die er als Spengler benötigt, vom pensionierten Spengler Manfred Flückiger übernehmen konnte. Freude und Bekannte liehen ihm ebenfalls Werkzeuge und Maschinen. «Durch viele glückliche Zufälle und einer enormen Solidarität und Selbstlosigkeit meiner Familie und der Freunde konnte ich den Schritt in die Selbständigkeit ohne grössere Probleme machen», sagt der Dachdecker und Spengler mit grosser Dankbarkeit.

Spengler und Dachdecker
Bruno Hebeisen erlernte zuerst den Beruf Spengler bei der Firma Ramseyer und Dilger AG in Bern. Anschliessend erlernte er den Beruf des Dachdeckers bei der Schenk Manfred GmbH, Bedachungen, im Wasen. Und ist der Firma bis zu seiner Selbstständigkeit treu geblieben. «Ich konnte dort spenglern und dachdecken und bin später auch im Büro tätig gewesen. «Ich durfte in der Firma sehr viel lernen und bin Manfred Schenk sehr dankbar für all die Jahre», sagt Bruno Hebeisen anerkennend. Spengler gibt es nur noch wenige in der Region, der Beruf sei am Aussterben. Viele würden keinen Nachfolger finden und so werden die Geschäfte geschlossen. Wohl auch aus diesem Grund hat Bruno Hebeisen sehr viele Anfragen für Spengler-Arbeiten.

«Bläächi GmbH» läuft
Plan B musste er nicht anwenden. Seinen ersten Auftrag hatte er am 2. August im letzten Jahr bei seinem Götti. «Als ich da ankam, hatte die Familie Geschenke und einen Brief für mich hingelegt und mir damit viel Glück gewünscht. Diese Geste hatte ich nicht erwartet und es rührte mich zu Tränen», erzählt er. Und von da an ging es ab wie ein «Ragetli», wie er sagt. «Ich hatte und habe immer sehr viele Anfragen und bis jetzt habe ich immer alles zur Zeit geschafft», sagt er nicht ohne ein wenig Stolz in der Stimme. Es laufe eher darauf hinaus, dass er mehr Spengler-Arbeiten mache, als als Dachdecker unterwegs zu sein. «Als Spengler kann ich alleine arbeiten, als Dachdecker brauche ich oft jemanden, der mir hilft. Zudem muss ich bei grösseren Aufträgen überlegen, ob ich sie überhaupt annehmen kann oder ob sie nicht zu gross sind für mich alleine», erklärt er. Wäre ein Angestellter denn kein Thema? «Ich möchte meine Firma klein behalten und meine Arbeiten alleine machen. Zudem ist es eine grosse Verantwortung, jemanden einzustellen, und für mich passt es so, wie es jetzt ist, sehr gut.» Bruno Hebeisen macht gerne spezielle und nicht 08/15 Sachen. «Ich mag schwierige und spezielle Sachen, bei denen ich Probleme lösen und helfen kann, wo kein anderer mehr weiterweiss», erklärt er seine Arbeitsphilosophie. Die Arbeitsbereiche von Bruno und Monika Hebeisen sind klar getrennt: Er führt die Arbeiten aus, macht die Bestellungen, die Offerten und die Rechnungen. Sie ist für die Buchhaltung und das Administrative zuständig. «Da reden wir einander nicht rein», sagen beide überzeugt.
Und funktioniert damit als Team wunderbar, wie sie sagen. Und wenn Not am Mann ist, sind seine sechs Jungs Tobias (20), Adrian (18), Michael (15), Rafael (12), Daniel (10) und Christian (8) da, die gerne helfen und ihren Vater bei Arbeiten ohne Diskussionen unterstützen. «Bläächi» ist zufrieden und glücklich mit seiner Entscheidung, den Schritt in die Selbständigkeit gewagt zu haben: «Ich habe es noch keine Sekunde bereut!» Dass es passt, spürt auch seine Frau deutlich: «Ich spüre, mein Mann ist zufrieden und geniesst es, selbst entscheiden zu können und seine Arbeiten zu erledigen. Es passt einfach», sagt sie zufrieden.

Familie mit sechs Jungs
Monika und Bruno Hebeisen sind bereits früh Eltern geworden. Dass es schlussendlich gleich sechs Jungs sein würden, haben sie sich nicht erträumt. «Es passt und wir haben jeden einzelnen von Herzen fest gerne», sagen die beiden einstimmig. Familie Hebeisen führt eigentlich das klassische Familien-Modell: Sie schaut zu den Kindern und dass in Haus und Garten alles läuft und hält ihm so den Rücken frei. Nebenbei geht sie an zwei Vormittagen pro Woche auswärts arbeiten, um Sackgeld zu verdienen, wie sie sagt. Mit der Selbständigkeit als Spengler und Dachdecker haben sie etwas angerissen und es passt, obwohl es für alle streng ist und wenig Zeit für die Familie bleibt. «Meine Frau hats strenger als ich», sagt er. «Das stimmt so nicht», sagt sie sogleich. «Doch, sie macht so viel für unsere Familie. Sie ist unser Fels in der Brandung und ohne sie ginge es ganz klar nicht», sagt Bruno Hebeisen bestimmt.
Man spürt, die beiden sind ein eingespieltes Team, haben schon sehr viel zusammen erreicht, unterstützen sich und lassen sich auch den nötigen Freiraum. Die wenige Zeit als Familie geniessen sie dann umso mehr. So fährt er ab und an mit seinen Jungs an einem Sonntag an ein Schwingfest und sie macht einmal pro Jahr eine kleine Reise von drei Tagen mit ihren Freundinnen. Und als ganze Familie machen sie gerne eine Fahrradtour oder fahren Ski. Das Ehepaar ist und war immer sehr positiv denkend und hat denn auch keine weiteren Wünsche als gute Gesundheit: «Wenn die Gesundheit da ist, geht auch alles andere», sagt Bruno Hebeisen.

Von Marianne Ruch