• Marthi Flükiger, Esther Schär und Maria Dehmlow (v.l.) treten nach langjähriger Treue zur Schule Eriswil in den Ruhestand. · Bild: mahe

01.07.2019
Oberaargau

Sie konnten sich nie einen anderen Beruf vorstellen

Maria Dehmlow, Marthi Flükiger und Esther Schär gehen nach langjähriger Treue zur Schule Eriswil in Pension. Drei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch sehr vieles gemeinsam haben.

Eriswil · Ein Berufsleben lang beim gleichen Arbeitgeber zu bleiben, war früher gang und gäbe. Heute ist es kaum mehr vorstellbar. Die Arbeitsstelle und damit das Aufgabenfeld zu wechseln und Erfahrungen zu sammeln, gehört bei den jungen Menschen dazu.
Umso beeindruckender ist es, wenn mehr als 30 Jahre oder gar mehr als 40 Jahre Treue gegenüber demselben Arbeitgeber bei der Pensionierung gezählt werden können. Die Schule Eriswil wird am Ende dieses Schuljahres gleich drei Frauen, welche die Schule wesentlich mitprägten, offiziell an der Schulschlussfeier am nächsten Donnerstag verabschieden müssen.
Marthi Flükiger geht nach 43 Jahren, Esther Schär nach 40 Jahren und Maria Dehmlow nach 33 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand. Neben der langjährigen Beständigkeit zum Beruf und der Schule Eriswil haben die drei Frauen noch einiges mehr gemeinsam: Sie unterrichten bereits die zweite Generation, haben die Arbeit mit den Kindern immer geliebt und hätten sich nie einen anderen Beruf vorstellen können.

Kinder sind die besten Lehrmeister
Für Maria Dehmlow ist es immer eine grosse Erfüllung gewesen, mit Kindern zu arbeiten. «Kinder sind so ursprünglich, so echt und natürlich, und sie sind die besten Lehrmeister», fasst sie das Schöne am Beruf der Kindergärtnerin zusammen. Die Fantasiewelt der Kinder stand Maria Dehmlow schon immer sehr nahe, und so begann sie mit 18 Jahren die Ausbildung zur Kindergärtnerin. Geboren wurde sie 1954 in Rüderswil. Ihr Vater war einer der ersten Biobauern.
Es lag nahe, dass sie nach der Schulzeit ein Bauernlehrjahr absolvierte. Schnell wurde ihr aber bewusst, dass dies nicht der zukünftige Weg sein würde. Sie wollte in ihrem Beruf selbst Entscheidungen treffen können. 1975 erhielt die feinfühlige Kindergärtnerin eine Festanstellung in Eriswil. 1984, vor der Geburt ihres zweiten Kindes, kündigte sie ihre Stelle, um sich voll und ganz der Familie widmen zu können. Jedoch arbeitete sie während ihrer elfjährigen Familienpause immer wieder als stellvertretende Kindergärtnerin in verschiedenen Gemeinden, um den beruflichen Anschluss nicht zu verlieren.
Im Oktober 1995 wurde die unterdessen fünffache Mutter wiederum von der Schule Eriswil angefragt, vorerst als Stellvertretung für vier bis sechs Wochen. Sie sollte dem Kindergarten aber länger erhalten bleiben, denn die damalige Kindergärtnerin kam nicht mehr zurück.

Gespür für das Wesentliche erhalten
So folgte im Sommer 1996 nach zehnmonatiger Stellvertretungszeit wieder eine Festanstellung. Bis heute ist sie der Schule Eriswil gesamthaft 33 Jahre treu geblieben. Unzählige Kinder begleitete sie mit grosser Liebe und Leidenschaft durch die Vorschule und bereitete sie für den Schuleintritt vor. Die Arbeit mit den Kindern hat auch Maria Dehmlow verändert. «Ich habe ein Gespür fürs Wesentliche bekommen und bin auch einiges spontaner geworden», sagt sie gegenüber dem «UE». Aber nicht nur Maria Dehmlow, auch die Kinder hätten sich in dieser Zeit verändert. Heute seien sie selbstbewusster, was es aber nicht schwieriger, sondern nur anders mache.
Dagegen bewegen sich die Kinder in der Freizeit weniger als früher. Diesem Trend versucht Maria Dehmlow mit viel Bewegung und Spiel während der Zeit im Kindergarten entgegenzuwirken. Eines aber ist immer gleich geblieben: Die Bedürfnisse der Kinder, nach Liebe, Sicherheit und Geborgenheit. Und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Hingegen sieht Maria Dehmlow eine grosse Veränderung bei den Elterngesprächen.
In den ersten neun Jahren, als die Elterngespräche noch nicht Pflicht waren, begleitete sie jedes Kind einmal im Jahr nach Hause, um mit den Eltern ein Gespräch zu führen. Nicht selten hat sie dabei auf dem Feld mitgeholfen oder den Babysitter gespielt.
Neben der doch aufkommenden Wehmut freut sie sich aber, in Zukunft mehr Zeit für ihre Familie und für ihren Garten zu haben, mehr reisen zu können und vielleicht sogar eine andere Sprache zu lernen. Für die Zukunft des Kindergartens würde sie sich wünschen, dass die Kinder möglichst lange Kind bleiben dürfen und diese wichtige und prägende Zeit nicht durch den immer stärkeren Leistungsdruck abgekürzt wird.

Kein Tag wie der andere
Die schönsten Momente für Marthi Flükiger sind auch noch nach 43 Jahren die strahlenden Kinderaugen, manchmal schon frühmorgens, die immer wieder neuen Aha-Erlebnisse während des Unterrichts und dass kein Tag wie der andere ist.
Aufgewachsen in Emmenmatt, wusste Marthi Flükiger bereits mit zehn Jahren, dass sie Lehrerin werden wollte. Ihr Ziel war, an der Mittelstufe zu unterrichten, danach das Lehramt zu absolvieren und an die Oberstufe zu wechseln. Es kam jedoch anders.
1976 setzte sie sich nach der Ausbildung gegen viele Bewerber an der Schule in Eriswil durch und erhielt die Stelle. «Ich rechnete eigentlich nicht mit einer Anstellung, da sich sehr viele beworben hatten. Deshalb ging ich ganz entspannt an das Bewerbungsgespräch», erzählt die leidenschaftliche Lehrerin. Möglicherweise hat sie deswegen die Stelle erhalten.
Ihre ersten Kinder, welche sie in Eriswil unterrichtete, waren Zweitklässler. Diese Klasse begleitete sie bis zur vierten. Daneben unterrichtete sie auch, nach einem dreimonatigen Sprachurlaub in Lausanne, an der Oberstufe das Wahlfach Französisch. Schnell wurde aber klar, dass ihr nicht die Oberstufe, sondern eher die Mittelstufe entsprach. Also hängte sie ihre Zukunftspläne an den Nagel und unterrichtete weiter an der Mittelstufe. Eine Entscheidung, die sie bis heute nie bereut hat.

Veränderte Unterrichtsform
Neben den Hauptfächern wie Mathematik und Sprachen liegt Marthi Flükiger aber auch das Unterrichten der gestalterischen und musischen Fächer sehr am Herzen, welche für eine ausgewogene Bildung und zu einer Vielfalt im Beruf führen. Zudem unterrichtet sie seit Jahren das Wahlfach Blockflöte. In all den Jahren hat sich aber auch viel verändert, weiss die heute 63-jährige Lehrerin.
Früher war der Lehrer eine Respektsperson, das sei heute nicht mehr so. Das Verständnis gegenüber dem Lehrerberuf habe sich aber verbessert. Als Abbild der Gesellschaft hat sich auch die Unterrichtsform verändert. Wo früher der Lehrer oft vor der Klasse stand und im Frontalunterricht den Schülern den Stoff vermittelte, während diese still auf ihren Stühlen sas­sen, lebt heute der Unterricht durch mehr Bewegung und Eigenaktivität der Schüler.
Auch diese Veränderung entspricht mehr den Vorstellungen von Marthi Flükiger.

Wunsch nach mehr Freiheit
Mit einer Jahrgangsklasse begonnen, unterrichtet Marthi Flükiger heute eine Mehrjahrgangsklasse mit drei Jahrgängen von der vierten bis zur sechsten Klasse. Eine anspruchsvolle, aber auch schöne Aufgabe, wie Marthi Flükiger bemerkt.
Zugenommen hat in all den Jahren auch der administrative Aufwand. «Leider hat bisher dieser Aufwand nicht zur Verbesserung des Schulbetriebes beigetragen», bedauert die passionierte Lehrerin.
Für die Zukunft wünscht sie sich weniger Schulpflicht, dafür mehr Freiheit bei der Auswahl, Planung und Gestaltung der verschiedenen Lerninhalte für Lehrer und Schüler, damit die Kinder mehr lernen dürfen, anstatt müssen. Das bisher stark verplante Leben lässt sie bald hinter sich und freut sich, für einmal keine Pläne mehr haben
zu müssen.

Nicht nur kopflastige Fächer
Lehrerin zu werden, war der Traum von Esther Schär. Er wurde wahr. Seit nunmehr 40 Jahren unterrichtet sie als liebevolle Lehrerin an der Unterstufe von der ersten bis zur dritten Klasse. Immer im Teilpensum und fast immer zehn bis fünfzehn Lektionen pro Woche. Einzig als ihre drei Kinder noch klein waren, reduzierte sie die Lektionenanzahl ihres Teilpensums. Ganz aufgehört zu arbeiten, hat sie aber nie.
Ihren Mann lernte sie während der Ausbildung kennen, auch er unterrichtet an der Schule in Eriswil. Aufgewachsen ist Esther Schär in Spych, Oschwand, ihre Eltern zogen aber einige Male um, und so verbrachte sie ihre Kindheit auch in den Kantonen Thurgau und Schwyz.
Als etwas sehr Wertvolles erachtet Esther Schär diejenigen Momente, bei denen sie zusehen und zuhören kann, wie die Kinder arbeiten, sich unterhalten und ihre Pläne und Fantasien umsetzen. Deshalb unterrichtet sie auch am liebsten die Kinder in den Fächern Werken, Bildnerisches Gestalten, NMG (Natur - Mensch - Gesellschaft) und Sport. Dieses waren auch die Lieblingsfächer während ihrer Schulzeit. Viel profitiert hat Esther Schär von ihren eigenen Kindern. Diese wichtige Erfahrung liess sich auch sehr gut im Unterricht umsetzen.

Die vorgegebene Zeit reicht nicht
Vieles könne man sowieso erst beim Unterrichten lernen, ist die kreative Lehrerin der Meinung. «Bei der Ausbildung zur Lehrkraft fehlt oft der Bezug zur Realität», erklärt sie nachdenklich. Einen Ausgleich findet Esther Schär nach einem langen Tag mit Unterrichten und Vorbereiten in ihrem Garten, beim Walken oder beim Pilates. Denn auch sie arbeitet, wie alle anderen Lehrer, mehr als die vom Kanton vorgegebenen Stunden. «Die vorgegebene Zeit reicht einfach nicht aus, um sich richtig vorbereiten zu können», gibt sie zu bedenken.

Musische Fächer Gewicht
Zudem ändere sich immer alles schnell. Kaum habe man sich an etwas Neues gewöhnt, komme schon die nächste Änderung, an die es sich anzupassen gelte.
Eine der Änderungen ist die Mehrjahrgangsklasse, die aufgrund kleiner Schülerzahlen auch in Eriswil eingeführt werden musste. Als Nachteil empfindet Esther Schär dabei, dass die Kinder der ersten Klasse den «Grossen» der dritten Klasse schon einiges abschauen und dadurch nicht mehr so richtig die «Kleinen» im ersten Schuljahr sein können.
Für die Zukunft der Schule wünscht sie sich, dass die musischen Fächer unbedingt ihr Gewicht behalten. Nun aber freut sie sich auf den Ruhestand und auf die Zeit, die sie öfters mit ihren Enkelkindern verbringen kann.

Von Marion Heiniger