• Leandra Zehnder ist Schweizer Meisterin im Super G in der U16-Altersstufe. · Bild: zvg

  • Leandra Zehnder hat in Hoch-Ybrig mit dem Schweizer Meistertitel im Super G der U16-Altersklasse den grössten Erfolg ihrer Karriere geschafft.

07.04.2022
Sport

«SM-Gold ist für mich wie ein Geburtstag»

Die 16-jährige Walterswilerin Leandra Zehnder hat in Hoch-Ybrig mit dem Schweizer Meistertitel im Super G der U16-Altersklasse den grössten Erfolg ihrer Karriere geschafft. Dabei trat das Mitglied des Skiclubs Ahorn-Eriswil aus dem Schatten ihrer Zwillingsschwester Shaienne Zehnder, die Silber gewann.


Ski Alpin ·Sie sind die beste Schweizer Super G-Fahrerin der U16-Altersklasse (14 bis 16 Jahre). Ihr bisher grösster Karriereerfolg.
Es war wie ein Geburtstag. Es hat einfach alles gepasst. Mein bisher grösster Sieg, da ein Schweizer Meistertitel das Höchste ist, was ich im Ski Alpin in meiner Altersstufe erreichen kann.

Die Goldmedaille dürfte einen Ehrenplatz erhalten.
Ich habe in meinem Zimmer über dem Bett eine Holzstange, an welcher ich alle gewonnenen Medaillen aufhänge. Das SM-Gold erhält auf der Seite mit den wichtigsten Medaillen den vordersten Platz.

Wer ist Ihr grösster Fan?
Das sind meine Grosseltern und meine Eltern, ganz klar. Sie freuen sich immer fest über jeden Erfolg – und trösten mich, wenn es nicht läuft, wie vorgenommen.

Hand aufs Herz: Wie sehr haben Sie auf einen solchen Erfolg «geplangt»?
Ich freue mich extrem darüber. Allerdings muss ich sagen, dass ich gar nicht damit gerechnet hatte. Bei mir ist es ein bisschen so, dass ich nur bei absolut wichtigen Rennen 100 Prozent Leistung abrufen kann. Und dies ist mir beim SM-Rennen im Super G jetzt wirklich gelungen.
 
Dieses SM-Gold ist eine Art Befreiungsschlag. Sie standen immer etwas im Schatten ihrer Zwillingsschwester Shaienne, welche Sie über Jahre hinweg in allen wichtigen Skirennen stets hinter sich gelassen hat. Nun holen Sie den SM-Titel im Super G und bezwingen Ihre Zwillingsschwester, welche Silber gewinnt, erstmals in einem prestigeträchtigen Wettkampf.
Ich erwischte einen perfekten Lauf. Auch der Sprung ist mir ausgezeichnet gelungen. Es muss wirklich alles passen, damit ich meine Schwester bezwingen kann.

Sie setzten sich auf der Piste Sternen-Drusberg in Hoch-Ybrig nach 30 Toren und einer Fahrzeit von etwas über 53 Sekunden um 17 Hundertstelsekunden vor Ihre Zwillingsschwester. Was glauben Sie gab den Ausschlag?
Ich habe extrem an meiner aerodynamischen Position gefeilt, weil ich als leichte Fahrerin im Feld das für ein hohes Tempo wichtige Gewicht mit einer möglichst guten Hockeposition kompensieren muss. Dies ist mir gelungen. Meine Schwester hatte ebenfalls einen guten Lauf – und mit der frühen Startnummer 3 gegenüber meiner Startnummer 12 auf der weichen Frühlingspiste sogar einen kleinen Vorteil. Dies alles macht meinen Sieg sehr wertvoll. Es war kein Zufalls- oder Glücksprodukt.

Kurz vor Weihnachten haben Sie es in Lenzerheide in einem Riesenslalom bereits einmal geschafft, vor Ihrer Schwester ins Ziel zu kommen. Hat dieser Erfolg das Selbstvertrauen gestärkt, die Erkenntnis geliefert, dass Ihre Schwester – die Schweizer U16-Ski-Überfliegerin – bezwingbar ist?
Natürlich gab es mir Aufwind. Es zeigte mir, dass es möglich ist, was automatisch das Selbstvertrauen stärkt. Fairnesshalber muss ich aber erwähnen, dass Shaienne in besagtem Rennen einen schlechten Lauf erwischte.

Es scheint, dass die Zehnder-Twins im Super G und im Riesenslalom auf gleichem Niveau fahren können. Wie sieht es im Slalom aus?
Im Slalom ist Shaienne schneller. Es muss bei mir alles perfekt passen und Glück dazukommen, damit ich mich vor ihr klassiere. Läuft alles normal, ist Shaienne auch im Riesenslalom und im Super G stärker als ich. Doch wenn ich einen optimalen Lauf erwische, ist alles möglich. Dies hat das SM-Rennen im Super G gezeigt. Auf jeden Fall habe ich in diesem Winter grosse Fortschritte erzielen können.

Warum gibt es in der U16-Kategorie eigentlich keine Abfahrten?
Da habe ich, ehrlich gesagt, keine Ahnung. Ich vermute, dass es eine Vorsichtsmassnahme ist, weil das Risiko von schlimmen Stürzen und Verletzungen bei hohem Tempo gross ist.

Zurück zu Ihrem Schweizer Meistertitel. Hat Ihnen Ihre Schwester gratuliert?
Shaienne war als Führende im Zielraum, als ich die Ziellinie überquerte und die neue Bestzeit aufstellte. Es war für mich schön zu erleben, wie sie sich mit mir freute.

Also gönnen Sie sich den Erfolg gegenseitig?
Wir sagen uns immer: Hauptsache eine Zehnder gewinnt – oder schafft es auf das Podest, weshalb wir einander die Spitzenränge auch gönnen. Am schönsten ist es, wenn wir – wie an der SM – einen Doppelsieg erzielen, egal, in welcher Reihenfolge. Wir sind sehr ehrgeizig. Werden wir von anderen Fahrerinnen bezwungen, löst das bei uns gar keine Freude
aus.

Wegen was – wenn nicht dem Ehrgeiz, die bessere Skifahrerin zu sein – geraten sich die Schwestern dann in die Haare?
Unser Verhältnis ist gut, obwohl wir uns nicht als beste Kolleginnen bezeichnen würden. Es kommt selten zu Zoff. Schwierig wird es höchstens, wenn beide auf ihrer Meinung beharren, den Standpunkt stur verteidigen, auch wenn er falsch ist.

Die SM im Super G fand an einem Montag statt. Hätten Sie nicht die Schulbank drücken sollen?
Meine Schwester und ich besuchen die Sporthandelsschule Feusi in Bern-Wankdorf. Dort wird der Unterricht auf die sportliche Karriere ausgerichtet. Ein Fehlen wegen einem Wettkampf ist also überhaupt kein Problem.

Nur drei Stunden nach dem Meisterschaftsrennen fand auf der gleichen Piste ein zum Jugend-Cup zählender Super G statt. Dort siegte Shaienne Zehnder. Mit einer Sekunde Rückstand belegten Sie den 6. Rang. Was war los?
Trotz der grossen Freude über den Titelgewinn wäre ich auch im zweiten Tagesrennen parat gewesen. Dann ist mir aber ein Innenskifehler unterlaufen. Ich musste sogar in den Schnee greifen, konnte mich aber retten. Dies hat viel Zeit und damit einen Podestplatz gekostet.

Der SM-Titel kam zur richtigen Zeit. Mit diesem Grosserfolg dürften Sie – wie Ihre Schwester – die Aufnahme ins Nationale Leistungszentrum geschafft haben.
Die Selektionen sind noch nicht erfolgt. Es steht noch nichts fest. Fakt ist aber, dass die sechs besten U16-Mädchen der Schweiz Aufnahme finden. Dank meinem SM-Titel konnte ich mich auf den letzten Drücker vom 7. Rang auf den 4. Rang der Selektionsrangliste verbessern.

Der nächste Karriereschritt wäre die Aufnahme ins C-Kader von Swiss Ski. Glauben Sie daran, dass es die Zehnder-Twins zu Weltcupfahrerinnen schaffen werden?
Ich hoffe es. Bis dahin ist es aber noch ein ganz langer Weg. Gemessen an der jetzigen Situation stehen Shaiennes Chancen sicher besser. Ich gebe aber alles, um es ebenfalls möglichst weit zu schaffen.

Die Saison 2021/22 ist noch immer nicht zu Ende.
Stimmt. Wir haben noch zwei Rennen. In diesen steht – jedenfalls für mich – der Spass im Zentrum. Eines der beiden Rennen werde ich sogar in einem Kostüm bestreiten.

Nach diesen letzten beiden Einsätzen kommen die Skis in den Keller. Apropos Ski: Sie fahren die französische Marke Dynastar. Warum setzen Sie nicht auf das heimische Produkt Stöckli?
Ich habe verschiedene Marken getestet und fühlte mich mit der Marke Dynastar, die zur Rossignol-Gruppe gehört, am wohlsten. Stöckli habe ich allerdings noch gar nie getestet.

Die skifreie Zeit steht an. Wie werden Sie sich den Sommer über fit halten?  
Ich spiele noch nicht lange, aber extrem gerne Tennis. Ich konnte in kurzer Zeit schon schöne Fortschritte erzielen. Dazu steht oft das Biken oder Joggen auf dem Programm. Vielleicht werde ich am Grand-Prix Bern an den Start gehen. Ein wichtiger und zeitintensiver Punkt ist natürlich das Kraft- und Konditionstraining im Trainingszentrum Wankdorf in Bern.

Zuletzt ein Ausblick: Der grösste sportliche Traum von Leandra Zehnder?
Ich möchte im Weltcup Rennen bestreiten können und an Olympischen Spielen teilnehmen. Ich weiss, dass der Weg dorthin sehr, sehr weit ist. Träumen ist aber erlaubt.

Auszug aus der Rangliste: U16-SM Super G, Mädchen (53 Klassierte): 1. Leandra Zehnder, SC Ahorn-Eriswil, 53,18; 2. Shaienne Zehnder, SC Ahorn-Eriswil, 53,35; 3. Allegra Frei, Feusisberg, 53,39; 4. Ladina Christen, Beckenried, 53,84; 5. Alina Willi, Vermol, 53,90. – Knaben (66): 1. Lorin Ritschard, Adelboden, 52,24; 19. Gian Bösiger, SC Ahorn-Eriswil, 53,94. – Swiss-Ski Jugend Cup, Super G, Mädchen (49): 1. Shaienne Zehnder, Ahorn-Eriswil, 55,41; 2. Alina Willi, Vermol, 55,92; 3. Fabienne Wenger, Diemtigtal, 55,93; 6. Leandra Zehnder, Ahorn-Eriswil, 56,40. – Knaben (66): 1. Lorin Ritschard, Adelboden, 54,77; 23. Gian Bösiger, SC Ahorn-Eriswil, 56,63.

Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Leandra Zehnder,
Skifahrerin aus Walterswil