• Haus des Anstosses: Wie weiter mit dem Langenthaler Stadttheater? Der Stadtrat beauftragte den Gemeinderat, eine Ausgliederung aus der Stadtverwaltung zu prüfen und eine entsprechende Vorlage zu erarbeiten. · Bild: zvg

07.11.2023
Langenthal

Stadttheater gibt einmal mehr zu reden

In der letzten Sitzung des Langenthaler Stadtrates gab das Stadttheater einmal mehr Anlass zu intensiven Diskussionen. Eine Motion der FDP-/jll-Fraktion verlangt nämlich die Ausgliederung des Stadttheaters aus der Stadtverwaltung und eine Überführung in eine selbständige öffentlich-rechtliche Anstalt. Während die eine Ratsseite davon sprach, dass man damit das Stadttheater seinem Schicksal überlasse, sah die andere Ratsseite darin eine Chance zur Weiterentwicklung der Institution ohne «städtische Fesseln».

Auslöser für die Motion der FDP-/jll-Fraktion waren die jüngsten Budget-Debatten im Langenthaler Stadtrat, bei der die bürgerliche Ratshälfte versuchte, Kürzungen beim Stadttheater durchzubringen. Mit geringem Erfolg jeweils, weil Leistungsverträge mit dem Kanton geltend gemacht wurden, sowie die Saisonplanung des Stadttheaters, die zum Zeitpunkt der Budget-Debatte im Stadtrat abgeschlossen ist und keinen Spielraum mehr bietet für allfällige Kürzungen bei den Ausgaben für das Programm und bei anderen Kostenstellen. Bereits vor zehn Jahren stand das Thema einer Ausgliederung des Stadttheaters auf der Traktandenliste des Langenthaler Stadtrates. Damals lehnte jedoch der Rat den Antrag des Gemeinderates mit 16:19 Stimmen, bei einer Enthaltung, ab. Die Motionäre schreiben in ihrer Eingabe nun, dass sich mittlerweile gezeigt habe, dass die Rolle des Stadttheaters als Regiebetrieb der Stadtverwaltung Konfliktpotenzial berge, nicht zuletzt beim erwähnten Budgetprozess. So wird darauf hingewiesen, dass die Aufwände des Stadttheaters Teil des städtischen Budgets seien und damit grundsätzlich der Budgethoheit des Stadtrates unterstellt seien. Trotzdem akzeptiere der Gemeinderat die vom Stadtrat vorgenommenen, bescheidenen Budgetkürzungen nur teilweise.

Bürgerliche Trotzreaktion?
Für die Motionäre ist deshalb klar, dass es sich hier um eine unbefriedigende Situation handelt, sowohl für den Stadtrat, dessen Budgethoheit beschnitten wird, andererseits aber auch für den Betrieb des Stadttheaters selbst, welcher verständlicherweise bei der Saisonplanung auf eine mindestens mittelfristige Planungssicherheit in Bezug auf die Finanzen angewiesen ist. Für die FDP-/jll-Fraktion liegt die Lösung bei einer Ausgliederung des Stadttheaters aus der Langenthaler Stadtverwaltung. Dabei gehen die Motionäre davon aus, dass eine Aktiengesellschaft als mögliche Rechtsform weiterhin nicht mehrheitsfähig ist, weshalb die Rechtsform einer selbständigen öffentlich-rechtlichen Anstalt gewählt werden soll. SVP-Stadtrat Patrick Freudiger begrüsste den Vorstoss und erwähnte: «Beispiele aus anderen Orten zeigen, dass eine Ausgliederung eines Theaters aus der Stadtverwaltung zu einem effizienteren Betrieb geführt hat.» Gar nicht einverstanden mit dem Vorgehen war hingegen SP-Stadtrat Gerhard Käser, der in der Motion eine Trotzreaktion der bürgerlichen Seite sah, weil diese bei ihren Budgetkürzungen für das Stadttheater nicht den erwünschten Erfolg erzielen konnte. «Mit diesem Vorgehen wird das Stadttheater seinem Schicksal überlassen, das wollen wir auf keinen Fall», betonte er. Zudem sei der Zeitpunkt sehr ungünstig für ein solches Vorhaben, im Nachgang der Corona-Pandemie, die auch dem Stadttheater zugesetzt habe. «Wir möchten eine nachhaltige Entwicklung des Stadttheaters fördern, was mit einer Ausgliederung kaum möglich sein wird», zeigte sich Käser sehr skeptisch gegenüber dem Vorstoss.

«Scheuklappen» ablegen
FDP-Stadtrat Diego Clavadetscher forderte anschliessend die linke Ratsseite dazu auf, endlich die «Scheuklappen» abzulegen. «Eine Ausgliederung würde dem Stadttheater neue Möglichkeiten eröffnen, beispielsweise im Bereich des Sponsorings, was heute nicht möglich ist, weil niemand Sponsoring-Beiträge an die Stadt entrichtet.» Clavadetscher appellierte an die Ratsmitglieder und sagte: «Wenn wir in der Politik nicht mehr bereit sind, einmal von etwas Abschied zu nehmen, den Blick zu öffnen und neue Wege zu beschreiten, dann kommen wir kein Stück weiter und dann werden wir auch in Zukunft nichts Gescheites mehr bewerkstelligen.» SVP-Stadtrat Martin Lerch zeigte sich ebenfalls skeptisch, was eine Ausgliederung anbelangt, und erwähnte, dass es berechtigte Argumente gegen dieses Vorhaben gebe. Er wies darauf hin, dass der Verwaltungsaufwand auch bei einer Ausgliederung nicht kleiner werden dürfte. SVP-Gemeinderätin Helen Morgenthaler (Ressort Kultur und Sport) wiederum machte den Stadtratsmitgliedern klar, dass die Folgen einer Ausgliederung noch gar nicht abschätzbar seien, weshalb eine umfassende Auslegeordnung Sinn machen würde. Dieser Auffassung war letztendlich auch der Stadtrat, der den Vorstoss (Motion wurde in ein Postulat gewandelt) als erheblich erklärte und den Gemeinderat beauftragte, die nötigen Schritte einzuleiten.

Von Walter Ryser