• Walter Liechti in der Stube beim Studieren der alten Schriften. · Bild: Barbara Heiniger

  • Walter Liechti (links) von Wyssachen hat die Dreschmaschine der Landi Eriswil gerettet und aufbewahrt. Mit auf dem Bild Fritz Iseli (oben) und Hansruedi Hirsbrunner. · Archivbild: Thomas Peter

08.07.2021
Oberaargau

Traditionen dürfen nicht verloren gehen

Die Pflege vom alten Brauchtum ist ein zentrales Anliegen von ­Walter Liechti von Wyss­achen. Vor allem will er das Wissen darüber an die jüngere Generation weitergeben. Die Übernahme der alten Dreschmaschine brachte vor einigen Jahren viele Dinge ins Rollen, so Auftritte an der BEA und an Dreschfesten. Der aktive Landwirt pflegt ein besonderes Hobby und kann beim Realisieren von Projekten immer auf treue Freunde und sein familiäres Umfeld zählen.

Wyssachen · «Wenn bei uns früher im Winter die Dreschmaschine auf den Bauernhof kam, gab es für mich immer unentschuldigte Stunden im Schulzeugnis. Es war jeden Winter ein Höhepunkt, das Getreide zu dreschen, da gehörte ich einfach dazu und fehlte in der Schule», erinnert sich Walter Liechti am Stubentisch mit einem Augenzwinkern.

«Die Spreu vom Weizen trennen»
Die Landwirtschaftliche Genossenschaft Eriswil kaufte am 2. Oktober 1962 bei der Firma Agrar in Wil eine Dreschmaschine. Die Rechnung, die Walter Liechti nun besitzt, lautete auf den Betrag 39 514 Franken. Bis 1995 war diese Maschine im Einsatz und leistete auf den Bauernhöfen in der Region 14 946 Dreschstunden, im letzten Jahr allerdings nur noch 5,5 Stunden. Durch einen glücklichen Zufall konnte Walter Liechti diese Dreschmaschine günstig übernehmen. Von da an begann bei ihm auch das intensivere Sammeln und Entdecken der alten Handwerke rund um den Bauernstand. Mit der Technisierung und Modernisierung wurden viele alte Geräte für landwirtschaftliche Arbeiten nicht mehr gebraucht. So löste zum Beispiel der Hangmähdrescher die Dreschmaschine ab. Walter Liechti weiss aber, dass die Menschen schon früh lernten «die Spreu vom Weizen zu trennen». Bei ihm sind Dreschflegel, wie sie im Film von «Ueli der Pächter» nach dem Roman von Jeremias Gotthelf im Einsatz waren, in gutem ­Zustand vorhanden. Auch eine ­Kornwanne, eine Getreideröndle, einen Rapid-Frontbindemäher oder die handgetriebene Dreschmaschine und anderes mehr.

Im Ruhestand sehr aktiv
Die Dreschmaschine von 1962 war im «Ruhestand» in Wyssachen. Aber Walter Liechti, Hansruedi Hirsbrunner und Fritz Iseli hauchten ihr im wahrsten Sinne des Wortes wieder«aktives Leben ein». Erstmals kam sie 2001 bei einer Sichlete in Niederönz zum Einsatz. Dank der guten Pflege funktionierte sie einwandfrei. Seither war sie als ratternde Bereicherung an einigen Anlässen. Walter Liechti hatte die Idee, den 50. Geburtstag der Dreschmaschine zu feiern.
So gab es auf dem Landi Areal Eriswil ein Drescherfest. 2017 fand beim Areal der Firma Loosli das erste «Wyssacher Dreschfest» statt. Als einer der Hauptakteure vor Ort war Walter Liechti, der das Geschehen kommentierte. Er diskutierte mit faszinierten jungen Besuchern, hörte ebenso einige Geschichten von vielen älteren Zeitzeugen aus der Landwirtschaft, die den Einsatz der Dreschmaschine noch miterlebt hatten. «Wir dreschen kein leeres Stroh», stellte Walter Liechti fest. Denn auch der Einsatz an der BEA in Bern war ein Höhepunkt. Unter dem Motto «Genuss & Tradition» wurde 2015 in der Festhalle die alte Dreschmaschine an der Frühlingsmesse in Bern präsentiert. Zusammen mit Fritz Iseli und Hansruedi Hirs­brunner wurde das Projekt realisiert, alle drei können das Gerät mit verbundenen Augen einrichten. Geplant war bereits die zweite Auflage vom «Wyss-acher Dreschfest» und auch der Einsatz am historischen Solothurnmärit, doch alles fiel wegen Corona aus.

Prägende Verbindungen
Dank den aktiven Bauern kam die alte Dreschmaschine in der Bundesstadt zu ungewohnten Ehren. Auch der
«Göpel», der auf dem noch erhaltenen Plan der Maschinenfabrik Aebi, Burgdorf, als No 3 vom 2.II.09 bezeichnet wird, stand an die BEA. Die «Alt-Landmaschinen-Sachkundigen» zeigten, wie dieses Drehrad von Menschenhand oder Tieren angetrieben wurde. «Die Göpel sind heutzutage sehr seltene Raritäten. Die Auftritte an der BEA haben Türen und Tore geöffnet. Dazu gab es prägende Verbindungen zwischen Stadt und Land», weiss Walter Liechti. Der legendäre «Dröscherschnaps» oder das «Brächerebrönts» hatten dabei auch einen Einfluss. Walter Liechti kann bei Aktivitäten auf viele treue Helfer zählen, aber die «Fäden» laufen stets bei ihm zusammen.

Alte Schriften mit lesenswerten ­Informationen und Brauchtum
Nebst der Sammlung zum Thema «Dreschen» besitzt Walter Liechti viele alte Schriften, zum Beispiel den «Schweizer Bauer Kalender für die Schweizer Landwirte» von 1927 und den «Schweizer Bauer Kalender für das Schweizer Haus» von 1937. «Diese Schriften habe ich in der Papiersammlung gefunden und ich lese gerne darin. Es hat viele Informationen, die auch in die heutige Zeit passen. So etwa jeden Monat passend die Bauernregeln», meint Walter Liechti verschmitzt.
Es würde viele Seiten füllen, all das Wissen von Walter Liechti um das alte Handwerk und die Menschen von früher aufzuschreiben. So wie Tante Rosette, Änni, Ueli und Johannes selber Flachs pflanzten oder die Webstühle im Keller betrieben. Walter Liechti freut sich immer wieder, wenn er Schriften und Gegenstände aus früherer Zeit findet. Viel hat sich in all den Jahren in der Landwirtschaft verändert. «Ein Brauch hat sich aber über alle die Jahre gehalten. Nach der schweren Arbeit beim Dreschen wurde eine Bärnerplatte aufgetischt, noch heute ist dies bei besonderen Anlässen ein Festmahl. Ebenso gehören die feine Hamme, knusprige Züpfe und ein Glas edler Wein dazu», stellt Walter Liechti lachend fest.

Gut zu wissen
Laut Prognose vom Bundesamt für Statistik wurde 2020 in der Schweiz auf einer Fläche von rund 142 375 Hektar Getreide angebaut. Zahlen aus den Jahren 1980 und 2020 zeigen grosse Veränderungen auch in der Gemeinde Wyssachen auf. 1980 gab es total 125 Landwirtschaftsbetriebe, noch deren 56 waren es 2020.

Von Barbara Heiniger