• Die SCL Tigers haben Thierry Paterlini als Trainer verpflichtet. · Bilder: Keystone/zvg

  • Die SCL Tigers haben Pascal Müller als Sportchef verpflichtet.

03.05.2022
Sport

Trainer, Sportchef und Philosophie neu

Langnaus neuer Sportchef heisst Pascal Müller (43). Er ersetzt Marc Eichmann (41). Der neue Trainer heisst Thierry Paterlini (47). In Langnaus Hockeygeschichte hat ein neues Kapitel begonnen.

 

SCL Tigers · Der dramatische Zerfall der Langnauer Leistungskultur in den letzten zwei Jahren (102 Spiele, 82 Niederlagen) hat Konsequenzen: Sportchef Marc Eichmann muss gehen. Er ist vor einer Woche ahnungslos aus den Ferien zurückgekehrt und am vergangenen Mittwoch um 10 Uhr offiziell verabschiedet worden. Mit der unglücklichen Wahl des Ferientermines hat er seine Absetzung beschleunigt: Die SCL Tigers arbeiteten zu diesem Zeitpunkt an ihrem wichtigsten Personalentscheid: An der Anstellung des neuen Trainers. Und genau zu dieser Zeit gönnte sich der Sportchef Ferien. Das ist im arbeitsamen Gotthelfland nicht eben gut angekommen. Aber Eichmann hätte sein Büro auch räumen müssen, wenn er seine Ferien verschoben hätte.

Die Note «genügend» reicht nicht
Marc Eichmann ist im Frühjahr 2020 vom Torhütertrainer als Nachfolger von Marco Bayer zum Sportchef befördert worden. Die Zeiten waren schwierig, Sparen war das Gebot der Stunde, und so wurde die Stelle eines Sportchefs durch diese interne Beförderung kostengünstig besetzt. Die Gesamtnote für Marc Eichmanns Tätigkeit in Langnau ist keine ungenügende. Wie in der Schule setzt sie sich aus einzelnen Fächern zusammen. Für die Rekrutierung des ausländischen Personals der vergangenen Saison bekommt Marc Eichmann die Maximalnote 6. Aber in den übrigen Fächern schneidet er weniger gut ab. Eine knappe 4 gibt es für seine Schweizer Transfers und, das ist bei seiner Beurteilung am schwersten ins Gewicht gefallen, bloss eine 3 für die Trainerwahl (Jason O’Leary musste am 16. Januar gefeuert werden) und eine weitere 3 für die interne Kommunikation: Der ehemalige Kulttorhüter aus Langenthal hat es nicht verstanden, Brücken zwischen der Nachwuchsabteilung und der ersten Mannschaft zu bauen. Aus den Noten 6, 4, 3 und 3 gibt es die Gesamtnote 4,0. Genügend. Aber genügend reicht in Langnau in einer Zeit des Neuaufbaus und der Neuausrichtung nicht mehr.

Opfer von äusseren Umständen
Der eher introvertierte, freundliche SCL-Meistergoalie ist nicht primär fachlich, sondern kommunikativ gescheitert: Er hat viel zu wenig berücksichtigt, wie wichtig es ist, im Klub alle ins Boot zu holen und als Integrationsfigur die Sportabteilung zusammenzuhalten. Die Geschichte wird jedoch seine Tätigkeit in Langnau besser, gnädiger beurteilen, als es jetzt in den Erregungen des Augenblicks der Fall ist. Denn er musste die Sportabteilung in der schwierigsten Phase der Neuzeit ab 2020 führen: In einer Zeit, da wegen der Pandemie Sparen oberstes Gebot war und er auf dem Markt einen denkbar schwierigen Stand hatte. Gerade deshalb ist ihm die fehlende Wirkung nach innen zum Verhängnis geworden. Er ist so gesehen auch das Opfer einer Situation von äusseren Umständen, die er nicht bedingt beeinflussen konnte.

Pascal Müller geniesst Kultstatus
Ein Neuanfang, eine Neuausrichtung braucht neue Männer. Nun kommt Pascal Müller als neuer Sportchef. Der ehemalige Verteidiger ist weitgereist (Zug, Davos, Ambri, ZSC, Kloten), wohnt im Kanton Zug und hat seine Langnauer Wurzeln immer gepflegt. Als Mitglied des legendären Aufstiegsteams von 1998 geniesst er im Dorf Kultstatus, hat über die Jahre beste Beziehungen in der Hockeywelt aufgebaut (er hat auch für die Schiedsrichterabteilung der Liga gearbeitet und zuletzt als Scout) und weiterhin beste Beziehungen im Dorf. Er kennt und schätzt die im Nachwuchs engagierten alten Grössen wie Samuel Balmer, Martin Gerber, Adrian Gerber, Steve Hirschi oder Jörg Reber und bewährte sich zwei Jahre (2015 bis 2017) als Sportchef in Kloten. Dort hat er im Herbst 2017 die Kündigung eingereicht. Weil er mit Präsident Hansueli Lehmann, dem sportlichen Ruinierer der Klotener Hockeykultur, das Heu nicht mehr auf der gleichen Bühne hatte.

Zu wenig Gotthelf
Pascal Müllers Hauptaufgaben nach der getätigten Findung des neuen Trainers Thierry Paterlini (siehe Kolumne) sind eine Verbesserung des Scoutings und die Integration der Nachwuchsspieler (immerhin vier im U18-WM-Team). Anders als Marc Eichmann ist er auch für die Nachwuchsabteilung verantwortlich. Das Ziel ist der Aufbau einer neuen Leistungskultur. Dabei wird Pascal Müller helfen, dass er als Ur-Langnauer die ganz besondere Mentalität im Dorf und im Klub kennt. Beides hat Marc Eichmann nie ganz richtig verstanden. Er hat zu wenig Gotthelf gelesen. Das ist manchmal für einen Trainer oder einen Sportchef in Langnau wichtiger als das Studium von Taktik-Lehrbüchern und Spieler-Statistiken.

Rüsten für den Abstiegskampf
Die SCL Tigers sollen nach zwei miserablen Jahren wieder ein Team werden, das nach dem Vorbild von Ambri durch Leidenschaft und Kampfkraft Begeisterung weckt. Das realistische Ziel ist zwar bloss der vorzeitige Klassenerhalt durch den Gewinn der «Kellermeisterschaft», die Kloten, Ajoie und eben Langnau nächste Saison um die Plätze 12, 13 und 14 austragen werden. Platz 12 bedeutet den vorzeitigen Liga-Erhalt. Noch wichtiger: Ein Besuch eines Spiels im Hockey-Tempel an der Ilfis soll für die Zuschauerinnen und Zuschauer wieder ein Erlebnis werden. Nach dem Motto «Mir gö nomau fürs Ämmitau» werden nicht jeden Abend Siege erwartet. Aber, dass jeden Abend alles getan wird, um ein Spiel zu gewinnen. In Langnau hat ein neues Kapitel begonnen. Gerade noch rechtzeitig: Im nächsten Frühjahr gibt es wieder den Auf- und Abstieg.

Von Klaus Zaugg