• Endlich nach Hause ... Irmi Luterbach (links) und Trudi Bacher in Pisac in «Reisemontur». · Bild: zvg

  • Der verunglückte Reisecar – wie durch ein Wunder wurde niemand schwer verletzt. · Bild: zvg

  • Gut betreut von Botschafts- und Swiss-Personal zurück in die Schweiz. · Bild: zvg

  • Trudi Bacher (links) und Irmi Luterbach – glücklich und gesund wieder daheim. · Bild: zvg

09.04.2020
Luzerner Hinterland

Turbulente Repatriierung aus Peru

Drei Wochen sollten es sein, vier wurden es – unfreiwillig. Irmi Luterbach und Trudi Bacher aus Willisau, beziehungsweise Rotkreuz, wurden im abgelegenen Valle Sagrado in Peru von der Coronakrise überrascht. Bevor sie reagieren konnten, waren alle Grenzen geschlossen. Nach bangen und ungewissen Tagen sowie einer halsbrecherischen 24-stündigen Reise von Cusco nach Lima wurden sie zurück in die Schweiz repatriiert.

Willisau/Rotkreuz · «Ihr könnt euch auf euer Land verlassen!» Es waren die letzten Worte, mit denen sich der Schweizer Botschafter in Lima im Flugzeug von den rund 300 Schweizern verabschiedete. Die Botschaft hatte alles darangesetzt, ihnen die Reise zurück in die Heimat zu ermöglichen. «Die Leute in der Botschaft machten alles für uns, und sie würden es für jeden Schweizer machen, der im Ausland in Schwierigkeiten geraten ist.» Dankbar blicken Irmi Luterbach und Trudi Bacher auf turbulente Wochen ihres Lebens zurück.
Das Gespräch findet telefonisch statt. Die beiden Frauen geniessen auf dem Balkon – und in Quarantäne – die Frühlingssonne.
Am 2. März flogen sie nach Peru. Im Valle Sagrado wollten sie die Tochter Vera von Irmi Luterbach besuchen. In den Flughäfen Madrid habe man wenig, in Lima und Cusco gar nichts von Corona bemerkt, berichten sie. Knappe zwei Wochen konnten sie von Herzen geniessen, besuchten auf rund 3000 m Höhe in den Anden Stätten und Dörfer, verbrachten Zeit mit Vera, während sich über ihnen die «Corona»-Wolke drohend zusammenzog.

Völlig überrumpelt
Am 13. März, in einem gemütlichen Café in Pisac, wurden sie von den Meldungen aus der Schweiz völlig überrumpelt, dass sie ihre Rückreise in die Schweiz innerhalb von drei Tagen organisieren sollten.
Betreten verliessen sie das Café. Was nun? Es war Freitagabend, Flug- und Landwege würden ab Montag geschlossen. Endloser Mail-Verkehr und Telefonanrufe mit dem Konsulat in Cusco und der Schweizer Botschaft in Lima, die in der Warteschlaufe hängen blieben, begannen. Hier liefen die Bemühungen auf Hochtouren, um für die in Peru gestrandeten Schweizer eine Rückkehrmöglichkeit zu finden. Zum Vornherein stand fest, dass nur repatriiert werden konnte, wer umfangreiche Formulare ausgefüllt und unterschrieben hatte und damit bestätigte, dass er oder sie die Kosten für Reise und Unterkünfte vollumfänglich übernehmen würde und ausserdem gesund sei.

«Heimelig»
Die Anspannung war riesig, obwohl die beiden Frauen in einem Resort eine herrliche Bleibe hatten, im Garten und Park – trotz Ausgangssperre – spazieren, den bunten Kolibris zuschauen konnten.
Ein grosser Lichtblick war der Botschaftssekretär Brun in Lima, der aus Buttisholz stammt. Der heimelige Dialekt tat gut, gab Hoffnung.
Und die brauchten sie, vor allem Irmi Luterbach. Denn sie ist auf Medikamente angewiesen, von denen sie aber nur für insgesamt gut vier Wochen mitgenommen hatte. Auch hier beruhigte Botschaftssekretär Brun; bestimmt würde es eine Lösung geben.Die Hoffnung stieg, als in Lima ein erstes Flugzeug zurück in die Schweiz fliegen durfte. Gross aber war die Enttäuschung der beiden Frauen, dass sie für diesen Flug nicht aufgeboten werden konnten, trotz der gesundheitlichen Vorgeschichte von Irmi Luterbach. Perus Landesregierung hatte den Flug von Cusco ins gut 1000 km entfernte Lima untersagt. Zu allem hin hatten die beiden Schweizerinnen eine Wohnmöglichkeit zu organisieren, da ihr geplanter Peruaufenthalt eigentlich zu Ende war.
Zu Fuss gingen sie ins 7 km entfernte Pisac, um nach einer neuen Bleibe zu suchen. Ohne eine Bewilligung, obwohl ja im ganzen Land strenges Ausgehverbot herrschte.

Rassismus – ein schreckliches Gefühl
Sie fanden ein Gästehaus mit Gemeinschaftsküche. Von Spazieren war keine Rede mehr. Zunehmend spürten sie die Wut des einheimischen Volks gegen die Europäer, welche aus seiner Sicht das Virus eingeschleppt haben. Beim Einkaufen wurden sie böse angeschaut, angesprochen, oder man pfiff Hunde nicht zurück. Die Lebensmittel, die sie bestellen konnten, wurden ihnen bis zehn Meter vor das Gästehaus geliefert. «Rassismus einmal umgekehrt – was für ein schreckliches Gefühl!» Zunehmend bedrückter konsultierten sie alle möglichen Medien, um sich auf dem Laufenden zu halten.
Nach Tagen kam erneut eine Meldung, dass ein Flug ab Lima in die Schweiz organisiert werde, diesmal für die Gestrandeten in Perus unzähligen Tälern und Höhen. Weiterhin war ein Flug von Cusco aus über die Anden nach Lima ausgeschlossen.

Überfüllter Car, spektakulärer Unfall
Es blieb nur noch die Möglichkeit, Lima auf dem Landweg zu erreichen. Die Gestrandeten würden aus allen Richtungen mit kleinen Sammelbussen nach Cusco und von hier aus in einem Konvoi von vier Bussen über Pässe auf teils 5000 m ü. M. nach Lima gebracht. Wieder vergingen bange Stunden und Tage, bis die notwendigen Papiere und die weiteren Angaben eintrafen. Einsam sassen Irmi Luterbach und Trudi Bacher am Sonntag, 29. März, 13 Uhr am Strassenrand in Pisac und warteten auf den Kleinbus, welcher sie nach Cusco brachte.
In der Tasche trugen sie das wertvolle Papier, das ihnen die Reise nach Lima erlaubte. In Cusco bestiegen sie einen der vier Cars, der sie in einer rund 24-stündigen Reise nach Lima bringen sollte. Die eskortierte Kolonne startete abends um 19 Uhr. Die Repatriierten, welche ein Picnic-Säckli erhielten, wussten, dass sich die Türen erst in Lima wieder öffnen würden. Hinten im Car befand sich eine Toilette. Sie war nur zum Urinieren gedacht. «Den Rest behalten Sie bitte bei sich.»
Vor Reisebeginn wurde ihnen gesagt, dass sie sich bei Atembeschwerden an den Chauffeur wenden und «Oxygene» verlangen sollten. Sauerstoff werde mitgeführt, ebenso Kaugummi gegen Reisebeschwerden. Jeder «Konsum» wurde notiert und wird zusammen mit dem Reisegeld in Rechnung gestellt. Die beschwerliche Fahrt auf schmalen, kurvenreichen und holperigen Strassen wurde am nächsten Morgen durch einen spektakulären Unfall eines der Cars unterbrochen. Nur mit viel Glück gab es keine Schwerverletzten, und mit noch viel mehr Glück stürzte der Car nicht in die Tiefe ...

Gut versorgt
Dafür konnten die Reisenden zwei Stunden Luft schnappen. Aber anschliessend wurden diejenigen des verunfallten Cars auf die drei anderen verteilt. Nach 24 Stunden beschwerlicher Fahrt – mit teils phänomenal schöner Aussicht – standen alle im Hotel, wo sie bestens mit Abendessen, einem guten Bett und einem Frühstück versorgt wurden. «Sie gaben sich solche Mühe», blicken Irmi Luterbach und Trudi Bacher dankbar zurück.
Tags darauf folgte die zweitletzte Etappe zum Flughafen, der von Polizei und Militär beherrscht wurde. Die «Kontaminierten» sollten keinen Schaden anrichten ...
Doch auch hier fanden sie sich bestens geführt vom Personal der Schweizer Botschaft. 13 Stunden nach dem Abflug erreichten sie Zürich. Ohne irgendwelche «Anleitung», wie sie nach Hause zurückzukehren hatten, bestiegen sie den Zug, um sich endlich, endlich daheim in gemeinsame Quarantäne zu begeben. Nächste Woche, wenn alles gut geht, dürften sie an ihre Arbeit zurückkehren. «Es war schön, es war beängstigend, und es war überaus spannend. Und – wir sind sehr, sehr dankbar für unser Land, für unsere umsichtige Regierung», blicken Irmi Luterbach und Trudi Brunner auf ihre überaus ereignisreiche und unvergessliche Perureise zurück.

Von Liselotte Jost-Zürcher