• Mit einem blauen Punkt auf dem Rücken ist die Königin leicht erkennbar. · Bild: Marion Heiniger

  • Heinrich Leuenberger schaut nach seinen Bienen. Die Räucherpfeife hilft ihm dabei, sie zu beruhigen.  · Bild: Marion Heiniger

  • Bei einem Unwetter 1972 rutschte der Hang unter dem Bienenhaus weg. · Bild: zvg

  • Bis zu 300 Jungköniginnen werden jährlich im Riedbad in Kistchen aufgezogen. · Bild: zvg

02.10.2020
Emmental

Über 50 Jahre im Dienste der dunklen Biene

Seit 1966 betreibt der Verein der Trachselwalder Bienenfreunde im Riedbad eine Belegstation der dunklen Bienen. Einst war sie in der Schweiz die einzige Honigbiene und gehört damit zum schweizerischen Kulturerbe. Durch die Einführung auswärtiger Rassen Mitte des 19. Jahrhunderts wurde sie immer mehr aus vielen Regionen verdrängt. Die reine Rasse der dunklen Biene gilt heute als gefährdet. Seit vielen Jahren setzen sich die Mitglieder des Bienenvereins zuhinterst im Hornbachgraben dafür ein, dass sich die ursprünglichste aller Schweizer Bienen wieder vermehren kann.

Sumiswald · Heinrich Leuenberger hält eine kleine Räucherpfeife fest zwischen seinen Lippen und bläst süsslich riechenden Rauch aus, während er geschickt eine Wabe aus einem kleinen Styroporkistchen zieht. Der Rauch soll die Bienen beruhigen. Zwischen den unzähligen umherwuselnden Bienen zeigt er auf eine etwas grössere, die einen hellblauen Punkt auf dem Rücken trägt. «Das ist die Königin», erklärt der leidenschaftliche Imker. Heinrich Leuen­berger ist einer von über 350 aktiven Vereinsmitgliedern der Trachselwalder Bienenfreunde. Seit 1966 betreibt der Verein im Riedbad eine Belegstation (Zuchtstation) für die dunklen Bienen. Daneben wurden noch drei weitere Stationen betrieben.

Umzug in den Hornbachgraben
Doch bald einmal wurde die Station im Riedbad zu klein und der Verein musste nach einer anderen Lösung suchen. 1970 fanden sie den idealen Standort, ein kleines Landstück in der Badschwendi, kurz vor dem Restaurant Riedbad. So wurde die Belegstation auf dem erworbenen Stück Land aufgebaut und in der Folge die anderen drei Stationen aufgelöst. Doch der neue Standort bereitete dem Verein immer wieder Schwierigkeiten. Anfangs der Siebzigerjahre rutschte der Zufahrtsweg ab, ein Jahr später wurde das ganz Land überschwemmt.
Und schliesslich rutschte 1972 auch noch der ganze Hang unter dem neu erbauten Bienenhaus weg. Auch das Jahrhundert-Unwetter vom 24. Juli 2014 traf die Belegstation Riedbad schwer und verwüstete das Bienenhaus. Die grossen Schäden konnten jeweils nur mit zahlreichen Fronarbeitsstunden behoben werden. Seither wohnen die Drohnenvölker der dunklen Bienen nicht mehr in den uns bekannten «Schweizer Kästen», sondern werden in frei aufgestellten Magazinen gehalten. Die zur Begattung aufgestellten jungen Königinnen wohnen während 14 Tagen in kleinen Kistchen, welche auf Pfähle gestellt werden. Anstelle des Bienenhauses wurde ein Lagerraum erstellt. Seit nunmehr 50 Jahren ist die Badschwendi mit seiner Abgeschiedenheit und der wilden Natur der ideale Standort für die dunklen Bienen. Heinrich Leuenberger schaut regelmässig nach ihnen. Es sind seine eigenen Bienenvölker.

Möglichst rassenreine Zucht
Mit dunklen Bienen aus ausgelesenen Völkern, die möglichst rassenrein sind, züchtet Heinrich Leuenberger neue Königinnen heran. Dabei wird eine etwa einen Tage alte Larve «umgelarvt». Das heisst, der erfahrene Imker nutzt die Situation kleinerer Bienenvölker ohne Königin aus, die noch keine Königin haben und setzt die Larve zum Weiterpflegen in eine etwas grössere Zelle, die sogenannte Königinnenzelle, in deren Stock. «Das braucht viel Übung und gutes Licht, denn die kleinen Larven sind von blos-sem Auge kaum zu erkennen», erklärt Leuenberger.

Königinnen und Arbeiterbienen
Die Arbeiterbienen füttern während der rund zweiwöchigen Aufzuchtzeit die heranwachsende Königin mit eiweisshaltigem Futter, dem sogenannten Gelee Royale oder Königinnenfuttersaft, damit diese ihre Geschlechtsorgane ausbilden und später von den Drohnen, den männlichen Bienen, befruchtet werden kann. Sechs Tage nachdem die Königin ausgeschlüpft ist, wird sie für genau fünf Tage brünstig. In dieser Zeit muss sie zum sogenannten Begattungsflug ausfliegen können. «Wenn in dieser Zeit schlechtes Wetter ist, kann die Königin nicht ausfliegen und auch nicht begattet werden. Ist dies der Fall, ist das kleine Bienenvolk verloren und muss aufgelöst werden. Die restlichen Bienen werden einem anderen Volk zugeführt», erklärt Leuenberger weiter. Doch ist das Wetter gut und klappt es auch mit der Begattung, legt die Königin danach ihre Eier in die Zellen der Wabe ab. In die etwas grösseren Zellen legt sie die unbefruchteten Eier, aus welchen später Drohnen schlüpfen, in die kleineren Zellen der Wabe kommen die befruchteten Eier. Aus ihnen schlüpfen die Arbeiterbienen. In der freien Natur behält ein Bienenvolk seine Königin etwa vier bis fünf Jahre, danach ist sie zu alt. Um den Nachwuchs sicherzustellen, wird danach eine neue Königin herangezogen.
Eine ungleiche Lebenserwartung hat eine Arbeiterbiene, sie wird je nach Arbeitsaufkommen zwischen drei und sechs Wochen alt. Im Juli, nach der Sonnenwende, schlüpfen neue Arbeiterbienen aus, die bis zum nächsten Frühling leben. Diese werden anders gefüttert und legen sich zum Überwintern eine Art Fettpanzer an. Die Drohnen dagegen sterben kurz nach der Begattung. Heinrich Leuenberger wechselt bei seinen Drohnenvölkern auf der Belegstation alle ein bis zwei Jahre die Königinnen aus. Damit ist gewährleistet, dass keine Verbasterung und Inzucht stattfinden kann.

Fleissig und sanftmütig
Es gibt verschiedene Merkmale, welche Bienen erfüllen sollten, damit mit ihnen gezüchtet werden kann. Dabei sind Heinrich Leuenberger Gesundheit, gute Leistung, Sanftmut, guter Putztrieb und Wabensteht (sich ruhig auf der Wabe verhalten) sehr wichtig. Er hebt dabei die Sanftmütigkeit besonders hervor. «Ich kann mit kurzen Hosen und T-Shirt mit meinen Bienen arbeiten. Wenn ich doch einmal gestochen werde, bin ich selbst schuld», zeigt sich Leuenberger mit seiner Zucht zufrieden. Dass die dunkle Biene stechlustiger sei als andere Bienenarten, sei falsch, so Leuenberger. Reinrassige Bienen seien von Natur aus friedliebend. Vermischen sich aber verschiedene Bienenrassen, werden sie von Jahr zu Jahr stechlustiger. Spätestens in der zweiten oder dritten Generation kann man dann nicht mehr ohne Schleier arbeiten. «Die Zucht solcher Bienen sollte man nicht mehr fördern», ist der pensionierte Imker überzeugt.
Während der Aufzuchtzeit schaut Heinrich Leuenberger aber nicht nur zu seinen eigenen Bienen, sondern bietet auch weiteren Züchtern der dunklen Biene die Möglichkeit, ihre Königinnen im Riedbad befruchten zu lassen. Pro Zuchtsaison von Mai bis August sind das zurzeit etwa 300 Jungköniginnen. Dafür stellt er 15 bis 20 sogenannte Drohnenvölker zur Verfügung (Völker mit aussergewöhnlich vielen männlichen Bienen). Manchmal sind es bis zu 20 «fremde» Königinnen, die er in der Badschwendi zu betreuen hat. Nach rund vier Monaten nimmt Heinrich Leuenberger seine Bienen zum Überwintern wieder mit nach Hause. Und im nächsten Jahr, ab Mitte Mai, werden wiederum tausende reinrassige, dunkle Bienen im Hornbachtal umherschwirren und das Fortbestehen ihrer Art sicherstellen.

Von Marion Heiniger