• In den Wildbienenhotels von Matthias Flückiger herrscht an warmen Tagen emsiges Treiben. · Bild: Leroy Ryser

  • Matthias Flückiger und Rita Jakob bei den Infotafeln. Links im Hintergrund der Bach mit der Uferhecke an der steilen Böschung. · Bild: Liselotte Jost-Zürcher

  • Auf zehn Quadratmetern hat Matthias Flückiger wertvollsten Lebensraum für Wildbienen geschaffen. · Bild: Liselotte Jost-Zürcher

18.05.2020
Emmental

Uferhecke und zehn Quadratmeter Bienenhotel

Seit 20 Jahren ist Matthias Flückiger aus Wasen begeisterter Imker. Dabei erkannte er je länger je mehr, wie wichtig es ist, ökologische Flächen zu schaffen, um das Insektensterben einzudämmen. Heute bieten an seiner Hauswand auf 10 Quadratmetern Bienenhotels willkommene Schlupfgelegenheiten für verschiedenste Insektenarten. Zudem wurden auf seinem Land dem Bach entlang 500 einheimische, bienen- und vogelfreundliche Stauden und Sträucher gepflanzt. Morgen Mittwoch ist Uno-Weltbienentag.

Wasen · An schönen, warmen Tagen herrscht in Matthias Flückigers Bienenhotels reges Treiben. Tausende Insekten schlüpfen emsig ein und aus. Es ist der Lohn für die unzähligen Stunden, in welchen der Naturfreund seit 2013 die Bienenhotels nach den Anleitungen der Imkerin, Kursleiterin und Arbeitsagogin Rita Jakob aus Weier i.E. gezimmert und zusammengestellt hat. Seine Frau Doris Flückiger schnitt die verschiedenen Hölzer, Stängel und Strohhalme, während er die Hotels gestaltete. «Für ein Bienenhotel braucht es keine fremden Hölzer. Unsere Natur hier bietet genug geeignetes Material», stellt Rita Jakob gegenüber dem «UE» fest. Am liebsten würden die Insekten Stroh als Schlupflöcher benützen, weiss sie. Mit dem Nachteil allerdings, dass dieses recht schnell vermodert und dann wieder ersetzt werden muss. «Oder die Halme werden von den Vögeln herausgezupft», lacht Matthias Flückiger, der die «Schäden» jeweils geduldig behebt.
Die Umgebung der Familie Flückiger an der Bärhegenstrasse in Wasen bietet Insekten und Vögeln ein Paradies. Nachdem die Familie das Haus vor fünf Jahren kaufen konnte, begann Matthias Flückiger auch die Umgebung insekten- und vogelfreundlich zu gestalten, dies ebenfalls mit Hilfe von Rita Jakob. Die beiden kannten sich schon, als Matthias Flückiger noch zur Schule ging. Zusammen mit weiteren Gleichaltrigen fiel er in sehr jugendlichem Alter auf, als er sich für den Bau und das Installieren von Nistkästen insbesondere für Mauersegler einsetzte. Im Jahr 2000 besuchte er bei Rita Jakob einen Imkerkurs. «Dört hets mer dr Ermu inegno», stellt er fest. Seither zog er sie oft zu Rate, unter anderem eben auch beim Bau der Bienenhotels. Sie wiederum realisierte an seinen Bachufern zusammen mit ihm und einigen Mitarbeitenden das erste Uferhecken-Projekt in der Region. Die Idee kam auf, als Matthias Flückiger bei ihr ein grosses Auto voller verschiedener bienenfreundlicher Weiden holen wollte, um sie an seinen Bachufern zu pflanzen. Anstatt «nur» Weiden wurde daraus eine artenreiche Uferhecke. Auf über 500 Quadratmetern Ufer wurden hier 500 Sträucher aus 25 einheimischen verschiedenen Arten gepflanzt.

«Safari» vor der Haustüre
Heute erfreut sich die Familie Flückiger und mit ihr weitere Naturfreunde einer herrlichen einheimischen «Safari» vor der Haustüre. Zuunterst an der Bärhegenstrasse, entlang dem Bach, tummeln sich Schmetterlinge, Insekten und auch kleine Reptilien. Sie und die dichten Sträucher, dazu der plätschernde Bach, bieten wiederum wertvollen Lebensraum für Vögel wie Bachbrunelle, Rotschwanz, Girlitz, Gebirgsstelze, Wasseramsel, Zaunkönig, Mönchsgrasmücke, Rotkehlchen, Blau- und Kohlmeise und viele mehr. Tafeln geben zudem wertvolle Hinweise für das Schützen und Erhalten der Artenvielfalt.
«Man muss etwas für die Natur tun», ist Matthias Flückiger überzeugt. Diese Meinung teilt auch Rita Jakob, die seit Jahrzehnten an der Front steht, um Bienen und alle anderen Insektenarten zu schützen und zu fördern. Unter anderem arbeitete die aktive Arbeitsagogin für den Verein deutschschweizerischer und rätoromanischer Bienenfreunde (VDRB). Sie war es denn auch, die gemeinsam mit Ruedi Ritter den Weidenlehrpfad und den mehrmaligen Weidentauschtag in Huttwil organisierte, realisierte und immer wieder dafür sorgt, dass die Weiden insekten- und vogelgerecht geschnitten werden. Das Uferhecken-Projekt, welches der VDRB in Auftrag gab, und die Idee von Matthias Flückigers Uferhecke passten perfekt zusammen. In das Projekt wurden verschiedenste Sachverständige einbezogen, um eine möglichst grosse Artenvielfalt der Flora und Fauna zu gewährleisten. Parallel zum Weidenlehrpfad und zur Realisierung der Uferhecke in Wasen wurden auch Projekte hinter der Kulisse umgesetzt. So schuf Rita Jakob gemeinsam mit weiteren Fachleuten die vier übersichtlichen Broschüren «Weiden – ein grosser Nutzen für Natur und Mensch», «Bienenschutz – was kann ich für die Bienen tun?», «Wildbienen – im Dienst der Natur» und «Uferhecken».

Das Hauptprojekt «Wärchbänkli»
Heute widmet sich Rita Jakob vor allem noch in der Freizeit ihren Naturprojekten. Beruflich wendet sie sich seit 2016 ihrem «Wärchbänkli» in Weier zu. Nebst Kursen, die sie nach wie vor erteilt, hat sie das soziale Unternehmen gegründet mit dem Ziel, Menschen jeden Alters und in unterschiedlichen Lebenslagen mit Wertschätzung und Toleranz zu begegnen. Sie vermittelt ihnen Struktur, coacht sie bei Bedarf oder vermittelt ihnen Gelegenheit, in Gemeinschaft zu arbeiten. Letzteres sowohl für kleine Auftragsarbeiten als auch für den Verkauf von Arbeiten, der für die Institution einen Teil der Einnahmen bedeutet. Denn, obwohl das Bedürfnis nach solchen Institutionen offensichtlich ist, wird Rita Jakob bis heute nicht vom Kanton unterstützt, weil er das «Wärchbänkli» als «nicht notwendig» erachtet.
Immerhin: Im vergangenen Jahr arbeiteten 14 Personen im «Wärchbänkli»; einige einmal wöchentlich zwei Stunden, andere mehrmals pro Woche bis zu fünf Stunden. Im Jahr 2019 wurden sie während insgesamt 4255 Stunden betreut. Die Besonderheit des «Wärchbänkli» ist die kleine, familiäre Struktur, die jedem Beteiligten eine ihm angepasste Arbeit und Tagesstruktur bietet. Das «Wärchbänkli» wird durch die Beiträge der Teilnehmenden, Spenden und dem mehr als bescheidenen Lohn der Leitung sowie aus dem Verkauf der Produkte wie Körbe, Deko-Artikel aus Naturmaterialien, Kinderkleidchen, Kleinmöbeln, Patchwork-Decken und weiterem finanziert.

Von Liselotte Jost-Zürcher