• Von links: Dr. med. Lorenz Sommer, Cornelia Steinmann, Patrik Walther, Dr. med. Markus Guzek und Matthias Moser. · Bild: ljw

30.08.2019
Emmental

Vergesslichkeit oder Demenz?

Der Vortrag von verschiedenen Fachleuten aus dem Raum Emmental, «Demenzerkrankung – Informationen und ein Überblick für Angehörige», lockte am Mittwochabend zahlreiche Interessierte ins Restaurant des Spitals Emmental in Langnau. Der Anlass, organisiert durch den Verein gesund i.E., hatte insbesondere zum Ziel, Ängsten entgegenzuwirken und die breite, gut vernetzte Unterstützung aufzuzeigen, die es für Betroffene und deren Angehörige gibt.

Langnau · «Wenn ein Patient kommt und sagt: Ich bin so vergesslich geworden. Leide ich wohl an Demenz? Dann weiss ich schon fast sicher – es ist keine Demenz», sagte Dr. med. Lorenz Sommer vor den zahlreichen Versammelten. Mit zunehmendem Alter sei eine gewisse Vergesslichkeit normal und bedeute den Verlust von Erinnerung. «Wenn es sich wirklich um eine Demenz handelt, sind es in der Regel die Angehörigen, welche die Symptome feststellen und sich an den Hausarzt wenden.»

Einschneidende Veränderungen
Seit fast 25 Jahren führt Lorenz Sommer eine Hausarztpraxis in Signau. Mit dem Thema «Demenz» wird er fast täglich konfrontiert, sei dies mit Patienten, ihren Angehörigen, mit Fachleuten oder mit der Spitex. Nicht selten ist der Hausarzt der erste, der bei einem Patienten mit auftretenden Symptomen konfrontiert wird, der einfache Tests vornimmt, Laboruntersuchungen und Bildgebungen des Gehirns (CT, MRI) verordnet und den Patienten an die Fachleute weiterweist. Sein Beispiel eines verhältnismässig jungen Mannes zeigte, wie stark eine demenzielle Erkrankung den Alltag von Betroffenen und ihren Angehörigen verändern kann.
Die Geschichte ging den Zuhörenden merklich unter die Haut. Der Patient litt an einer sogenannten frontotemporalen Demenz, welche in einer ersten Phase die Persönlichkeit verändert. Er starb an der Krankheit im Alter von nur 54 Jahren. «Als Hausarzt sehe ich mich vor allem als Begleiter von Patienten und Angehörigen und ebenso als Vernetzer», so Lorenz Sommer. Das Netzwerk, das er damit ansprach, ist gross. Erst etwa ein halbes Jahr nach dem Auftreten der ersten Symptome kann die Erkrankung zuverlässig diagnostiziert werden.

Netzwerk mit vielen Fachleuten
Im Emmental geschieht dies in der Memory Clinic des Spitals Emmental in Burgdorf, wo Hirnleistungsstörungen abgeklärt und wo Erkrankungen an Demenz diagnostiziert werden. «Eine frühzeitige Diagnose und entsprechende Therapien sind sehr wichtig», stellte Dr. med. Markus Guzek, Leitender Arzt Alterspsychiatrie und Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, Spital Emmental, fest. Er zeigte die verschiedenen Arten von Demenz auf, unter welchen Alzheimer die bekannteste ist.
Gleichzeitig wies er daraufhin, dass diverse Krankheiten demenzielle Symptome auslösen und möglicherweise bleibend therapiert werden können. Das heisst, die demenziellen Veränderungen können sich in bestimmten Fällen zurückbilden, wenn die auslösende Ursache entfernt ist.
Wurde bei den – sehr zuverlässigen – neuropsychologischen Tests eine demenzielle Erkrankung festgestellt, kann ihr Verlauf im Frühstadium in vielen Fällen durch diverse medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapien (Gedächtnistraining) verlangsamt werden.
Beeinträchtigt die Krankheit die kognitiven Fähigkeiten des Betroffenen so stark, dass seine Körperpflege, die Ernährung, die medizinische Versorgung oder seine Sicherheit nicht mehr gewährleistet sind, oder kommen Angehörige mit ihren Hilfs- oder Pflegeleistungen an die Grenzen, kommen weitere Institutionen wie die Spitex und später in den meisten Fällen eine Pflegeinstitution ins Spiel.
Aus ihrem Berufsalltag erzählten Cornelia Steinmann, Geschäftsleiterin Spitex Region Emmental, und Patrik Walther, Geschäftsführer des Alterszentrums Sumiswald, sumia. Ihre Beispiele machten klar, dass es zwar typische Merkmale im Verlauf von demenziellen Erkrankungen gibt, dass aber jede Situation anders ist und immer wieder eine individuelle Lösung gefunden werden muss.
In alle Lösungen oder Entscheidungen werden, nebst den Fachleuten, vorab die Angehörigen und solange als möglich die Betroffenen einbezogen. Beide stellten fest, dass «im Emmental oft sehr lange gewartet wird, bis Hilfe und Entlastung angenommen werden.» Nicht selten beginne der Umzug ins Pflegeheim mit einem Aufenthalt im Ferienbett, so Patrik Walther. «Dann merken die Betroffenen, dass Betreuung, Ernährung, die medizinische Versorgung des Patienten und auch die finanziellen Leistungen durch die Kranken- und Sozialversicherungen nun gewährleistet sind.»
Angehörige («sie sind die Experten!») dürften viel Zeit mit den Betroffenen verbringen oder sie auch selbst betreuen, ohne von deren Pflege überlastet zu werden.
Das Fazit des Abends lautete: Für betroffene Angehörige ist es wertvoll zu wissen, dass viel Unterstützung angeboten wird. Die zunehmend einschneidenden Symptome einer demenziellen Erkrankung erfordern das gesamte Netzwerk an Hausärzten, Fachärzten, Spitex und Heim.
Durch den aufschlussreichen Anlass führte Matthias Moser, der gemeinsam mit Patrik Walther das Co-Präsidium des Vereins gesund i.E. innehat. Mit seiner jährlichen Veranstaltung hat der Verein einmal mehr ein Thema gewählt, das eine breite Bevölkerungsschicht betrifft und auf entsprechend grosses Interesse gestossen ist.

Infos:www.gesund-iE.ch

Von Liselotte Jost-Zürcher