• Nur noch aus vier Kästen fliegen Bienen, die anderen sind leer. «Ein trauriges Bild», sagt Stefan Käser. · Bild: Marianne Ruch

  • Viele Bienen starben im vergangenen Winter. Die Gründe sind noch unklar. · Bild: Marianne Ruch

04.04.2022
Oberaargau

Vermehrtes Bienensterben gibt Rätsel auf

Stefan Käser aus Ursenbach hatte ursprünglich 24 Bienenvölker, doch von denen sind gerade noch sechs übriggeblieben. Bei 18 Völkern sind sämtliche Bienen auf unerklärliche Weise gestorben. Er ist nicht alleine mit einem solchen Verlust, die Meldungen zu vermehrtem Bienensterben häufen sich. Über die Ursache wird gerätselt, von Varroamilben bis hin zu den Wetterphänomenen des letzten Jahres kommt alles in Frage.

Ursenbach · Der Schock war gross, als Stefan Käser in der Altjahreswoche seine Bienenvölker kontrollierte. In seinem Bienenhaus, etwas abseits seines Hauses, hat er zwölf Bienenvölker. Davon leben nur noch vier Völker. In seinem Magazin (freistehende Kästen) nahe bei sich zu Hause hatte er ebenfalls zwölf Völker. Und hier ist der Verlust sogar noch grösser. Gerade mal zwei Völker fliegen noch. «So etwas habe ich noch nie erlebt», sagt der Imker traurig. Sogar seine 78-jährige Schwiegermutter meinte, an so etwas könne sie sich nicht erinnern. Die Bienen hat Stefan Käser vor sieben Jahren von seinem Schwiegervater übernommen. «Ich hatte vorher nichts mit Bienen zu tun, aber als ich angefangen habe, mich um die Völker zu kümmern, hat es mir den Ärmel rein genommen», erzählt der 54-Jährige. Er absolvierte die Imker-Kurse und baute seine Völker von anfänglich 8 auf 24 aus. «Eigentlich reagiere ich allergisch auf Bienenstiche. Aber dank einer Desensibilisierungstherapie alle sechs Wochen merke ich nichts mehr, wenn mich eine Biene sticht», erzählt er lachend.

Gründe geben Rätsel auf
Die Gründe für das vermehrte Sterben geben Rätsel auf, nicht nur in Ur­senbach. «Dass man pro Jahr zwei bis drei Völker verliert, ist normal. Aber dieses Ausmass ist schon speziell», sagt Stefan Käser. «Letztes Jahr mussten die Bienen durchs Jahr hindurch gefüttert werden. Im Spätsommer, nach der Behandlung gegen die Varroamilben, sammelten die Bienen nochmals wenig Honig ein. Dieser gesammelte Nektar deponierten die Honigbienen in die Brutzellen. Dadurch konnte die Königin nicht genügend Eier in diese Zellen legen», erzählt der Imker. Das haben die Bienenhalter nicht gerne, denn das reduziere die Grösse der Bienenvölker. Kommt hinzu, dass es wegen der Kälte nicht mehr alle Bienen nach Hause schaffen. «Wenn die Bienenvölker schon geschwächt und kleiner in den Winter müssen, wird es schwierig, dass sie sich warmhalten können», erklärt Käser weiter. Und der Winter sei jetzt doch recht lang und kalt gewesen, das habe den Bienen noch zusätzlich zugesetzt.

Viele betroffen
Stefan Käser hat in der Umgebung von einigen Imkern gehört, denen das gleiche Schicksal widerfahren ist. Auch René Schmid, Amtlicher Fachassistent Bieneninspektion im Unteremmental und Oberaargau, hat Kenntnis des vermehrten Bienensterbens. «Ich war bei einigen Imkern, unter ihnen einer, bei dem alle Völker eingegangen sind.» Der Bieneninspektor hat denn auch an einigen Orten mit der Auswaschmethode die Varroamilben-Belastung kontrolliert. «Ich habe erhöhte Werte festgestellt. Dies und das für Bienen klimatisch schlechte Vorjahr führten wohl zu den heuer grösseren Verlusten als in anderen Jahren. Aber ganz sicher kann man es nicht sagen, und man wird es wohl auch nie genau wissen», erklärt René Schmid. Die Situation sei traurig. In manchen Jahren gebe es fast keine Winterverluste, in manchen leider etwas mehr. Die Situation könne sich aber bei guten Bedingungen wieder erholen. «Ein Imker kann viel machen, indem er schaut, dass die Bienen immer genügend Futter haben, die Völker wirksam gegen die Varroamilbe behandelt werden und er möglichst nur starke Völker hält. Dies sind wichtige Vorsorgemassnahmen, um dem Wetter und dem Zusammenspiel der Umwelteinflüsse ein wenig entgegenzuwirken», erklärt er.

Bestand vermehren
Der Imker Stefan Käser aus Ursenbach lässt aber den Kopf nicht hängen. Er wird sein Hobby nach wie vor weiterpflegen. «Ich werde mit ausschwärmenden Völkern meinen Bestand wieder vermehren», erzählt er. Zudem hoffe er auf ein gutes Jahr, sodass der Verlust wieder aufgeholt werden könne. «Mein Ziel ist es, dass meine Völker im Spätherbst wieder gut parat sind für den Waldhonig», sagt er hoffnungsvoll. Wie die Imker sagen: «Wenn die Türklinke klebrig ist, dann ist es gut.»

165 000 Bienenvölker
In der Schweiz wird eine sehr vielseitige Bienenhaltung betrieben. Insgesamt halten 17 500 Imkerinnen und Imker rund 165 000 Bienenvölker. Die Trachtangebote (Nahrungsangebot) sind je nach Region sehr unterschiedlich. Unsere wichtigsten Trachtpflanzen sind: Löwenzahn, Obstbäume, Raps, Robinie («Akazie»), Kastanien, Linde, Alpenrose sowie verschiedene Nadel- und Laubbäume. Die Durchschnittsernte liegt bei 20 kg pro Volk. Die Schweiz hat mit durchschnittlich vier Völkern pro Quadratkilometer, Alpen inbegriffen, eine hohe Bienendichte. Durch die flächendeckende geografische Verteilung der Bienenstände ist die Bestäubung der Kultur- und Wildpflanzen zum heutigen Zeitpunkt in den meisten Gegenden gewährleistet.

Von Marianne Ruch