• Traditionelle Verabschiedung in der Schule Eriswil. Der abtretende Lehrer Fredi Schär geht mit seiner Klasse durch das Spalier. · Bilder: Marion Heiniger

  • Sie wurden an der internen Schlussfeier mit Geschenken verabschiedet. Von links: Susanna Jost, Fredi Schär und Magdalena Labno.

06.07.2020
Oberaargau

Vom Fussballtrainer zum Lehrer

Beim Fussballtraining mit den Junioren merkte Alfred «Fredi» Schär bereits früh, dass ihm die Arbeit mit Kindern liegt. Als leidenschaftlicher Lehrer unterrichtet er nun schon seit 43 Jahren an der Schule Eriswil. Davon war er 15 Jahre Schulleiter. Nun geht er mit 63 Jahren frühzeitig in Pension. Doch sein letztes Schuljahr hatte er sich irgendwie anders vorgestellt.

Eriswil · Fredi Schär steht in seinem Schulzimmer vor den Schülern der vierten Klasse. Mathematik steht auf dem Stundenplan. «Schreib auch den Lösungsweg in dein Heft, damit du später nachschauen kannst, wie du es gerechnet hast», erklärt er einem der Mädchen. Die Kinder sitzen weit auseinander. Der Rest seiner Schüler der fünften und sechsten Klasse ist im Zimmer gleich nebenan. «Die aktuelle Situation ist für mich belastend. Meine Klasse arbeitet in zwei Räumen und macht mich zum Dauerläufer», bedauert er die jetzige Situation, welche das Coronavirus verursacht hat.
Die für die Schüler wichtige Betreuung und Unterstützung während des Unterrichts könne so nicht mehr in gleichem Masse gewährleistet werden. Wichtige Werte wie das Händeschütteln bei der täglichen Begrüssung gingen von einem Tag auf den anderen verloren. Der Austausch im kleinen Kreis und das Fördern der Gemeinschaft seien nicht mehr möglich. Sein letztes Schuljahr vor der Pension hatte sich Fredi Schär anders vorgestellt.

An Gemeindeversammlung gewählt
Vor 43 Jahren, am 1. April 1977, trat Fredi Schär das erste Mal als offiziell gewählter Lehrer durch die Türe der Schule Eriswil. «Ich wurde noch an der Gemeindeversammlung gewählt», erinnert er sich. Zuerst provisorisch für ein Jahr im Teilpensum, danach rotierend als Klassenlehrer der fünften und sechsten Klasse für eine Amtszeit von zwei Jahren. Zur damaligen Zeit mussten die Lehrpersonen noch den Wohnsitz in der Gemeinde haben.
Aber auch sonst hat sich in den vergangenen Jahren einiges verändert. Fredi Schär hat mit einer Jahrgangsklasse angefangen, heute unterrichtet er eine Mischklasse. «Der Frontalunterricht wurde in vielen Situationen durch projektartiges Schaffen abgelöst. Die Kinder planen vermehrt selbstständig, arbeiten in Teams und setzen regelmässig auch die Informatik ein», erklärt der 63-jährige Lehrer den Wandel. Ein Mehrjahrgangsklassenunterricht sei zwar aufwendiger, für die soziale Entwicklung der Kinder aber eine grosse Chance.

Start mit Teilpensum
Aufgewachsen ist Fredi Schär bis zur dritten Klasse in Winistorf, danach zog seine Familie in die Flühmatt nach Gondiswil um. Als Fussballtrainer der Junioren beim SC Huttwil merkte er bald, dass ihm die Arbeit mit Kindern grosse Freude bereitete. So begann er die Ausbildung am Lehrerseminar in Langenthal und absolvierte das vierwöchige Abschlusspraktikum bei Lehrer Jörn Schulz an der Schule in Eriswil, wo auf das darauffolgende Schuljahr eine Teilpensum-Stelle frei wurde.
Zusammen mit ein paar Lektionen im Hubbach in Dürrenroth startete Fredi Schär seine Lehrerkarriere mit gesamthaft 23 Lektionen.

Ziele setzen und erreichen
Es gefiel ihm immer sehr, mit den engagierten Jugendlichen Ziele zu setzen, diese mit viel Ehrgeiz, Kreativität und Ausdauer anzustreben und sich danach gemeinsam am Erreichten zu erfreuen. Dabei konnte er von seinen eigenen Kindern profitieren, um die Balance zwischen Konsequenz und Spielraum zu finden. Am liebsten unterrichtete er die Fächer Mathematik, Naturkunde, Sport, Werken und Informatik.
Für Letzteres war er in den vergangenen Jahren auch immer ein wichtiger Ansprechpartner für seine Lehrerkolleginnen und -kollegen.

15 Jahre lang Schulleiter
Eine neue Herausforderung fand Fredi Schär, als er 2001 neben dem Unterrichten die Leitung der Schule übernehmen konnte. Er reduzierte sein Pensum und lehrte fortan überwiegend Schüler der Mittel- und Oberstufe in Mathematik. «Es war mir bewusst, dass ich gleichzeitig als Schulleiter und Lehrer im Kollegium eine andere Rolle einnehmen musste. So konnte es vorkommen, dass im Lehrerzimmer Gespräche abrupt abgebrochen wurden, wenn ich eintrat», erzählt Fredi Schär nachdenklich. Doch mehrheitlich spürte er eine gros-se Unterstützung und fühlte sich von den Lehrpersonen und der Behörde getragen. Erfreulich war auch, wie das Team konsequent an den zusammen erarbeiteten Mottos und Werten festhielt, so dass vieles über den Unterricht hinaus von der Bevölkerung wahrgenommen werden konnte. «Wenn die Kinder Besucher freundlich grüssten, ihnen die Eingangstüre aufhielten und sich für Unterstützungen und Gaben bedankten, sorgte dies regelmässig für Komplimente», freut sich Fredi Schär.
Das Amt als Schulleiter hatte aber auch seine Kehrseite. Denn von den Schulen wurden immer mehr Papiere verlangt, für fast alles musste ein Konzept erarbeitet werden. Einige machten Sinn, andere dienten lediglich zur Absicherung oder Überprüfung. «Oft ging vergessen, dass es verschiedene, gewachsene Schulhaus-Kulturen gibt und eine kleine Schule nicht immer gleiche Regeln und Vorgaben braucht wie eine grosse», bedauert er.

Mehr Zeit für Privates
Am 1. August 2016 übergab Fredi Schär das Schulleiteramt an seine Nachfolgerin Barbara Rentsch und genoss es, nach 15 Jahren wieder «nur» zu unterrichten. Damals hegte er bereits den Gedanken, sich frühzeitig in Pension zu begeben. «Ich wollte wieder zu hundert Prozent als Klassenlehrer unterrichten, bevor ich aufhöre», begründet er seine Entscheidung. Für die Zukunft der Schule würde er sich wünschen, dass sie ein Lernort werden könnte, wo es auch möglich wäre, dass Schülerinnen und Schüler sich mit Engagement und Gründlichkeit an verschiedenen Themen vertiefter weiterbilden könnten. Der Lehrer würde sie dabei als Coach begleiten. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge sieht Fredi Schär nun seiner Pensionierung entgegen. Das grosse Haus in Eriswil, das die Familie viele Jahre bewohnte, wurde vor Kurzem verkauft und ein neues in Burgdorf erworben. Somit sind Fredi Schär und seine Frau Esther etwas näher an den Wohnorten ihrer Kinder und Enkelkinder. «Burgdorf ist eine innovative Stadt mit vielen Angeboten. Und wenn die Gesundheit mitspielt, können wir hier noch eine aktive und schöne Zeit an der Emme erleben», erzählt der dreifache Familienvater. Zudem freut er sich, nun mehr Zeit zu haben, um Sport zu treiben, Ausflüge zu unternehmen, mit dem Camper auf Reisen zu gehen oder den Schachcomputer herauszufordern. Die Verbindung zu Eriswil und der Heimatregion wird er als Veteran beim Sportclub Huttwil weiterhin aufrechterhalten.

Von Marion Heiniger