• Der 33-jährige Leimiswiler Mountainbiker Mathias Flückiger erlebt die schwierigsten Stunden seiner langen Karriere. · Bild: Keystone

23.08.2022
Sport

Vorerst gilt die Unschuldsvermutung

Grosser Schock im «UE»-Sportland: Der Leimiswiler Mountainbike-Olympiamedaillengewinner Mathias Flückiger ist nach einer positiven Dopingprobe gemäss dem Doping-Statut von Swiss Olympic provisorisch gesperrt worden. Die B-Probe und eine Stellungnahme von Mathias Flückiger stehen noch aus.

Radsport · Die Nachricht am späten Donnerstagabend schockte die Schweiz und speziell die «UE»-Region: Der in Ochlenberg aufgewachsene Leimiswiler Mountainbiker Mathias Flückiger, Gesamtweltcupsieger und Olympia-Silbermedaillengewinner 2021, ist positiv auf eine unerlaubte Substanz getestet worden.  Der regionale Sportheld wurde provisorisch und unbefristet gesperrt. «Math» verpasste das EM-Rennen vom Freitag und wird auch bei seinem grossen Saisonziel – der WM in Frankreich – nicht am Start stehen.

Rennstall suspendiert Flückiger
Sofort nach der Hiobsbotschaft reagierte  sein Rennstall, das Thömus Maxon Swiss Mountainbike Racing Team. Bei diesem gelte Nulltoleranz, was Doping betreffe. Das Aushängeschild des Teams wurde suspendiert.  «Über die weitere Zusammenarbeit mit Mathias Flückiger wird nach dem Vorliegen der B-Probe entschieden», liess Thömus umgehend in einer Pressemitteilung wissen. Bei Mathias Flückigers Manager war nicht viel mehr zu erfahren. «Ich kann momentan nichts sagen», meinte der Aargauer auf Anfrage. «Wir sind alle sprachlos. Wir haben keine Ahnung, wie die Substanz in Flückiger Blut gelangte», äusserte Thomas Peter, Geschäftsführer von Swiss Cycling gegenüber dem Schweizer Fernsehen.

An der SM im Juni positiv getestet
Die Sache ist verzwickt. Der 33-Jährige wurde anlässlich der Schweizer Meisterschaft in Leysin (5. Juni 2022) positiv auf die anabole Substanz Zeranol, einem Mittel aus der Tiermast, getestet. Erst über zwei Monate später – und dies kurz vor dem EM-Rennen der Männer in München – informierte Swiss Sports Integrity über den positiven Test. «Der Zeitpunkt war sicher unglücklich», bestätigte Ernst König, Direktor von Swiss Sports Integrity, gegenüber SRF. «Bei dieser Substanz braucht es aber nach der Feststellung noch zusätzliche und weiterführende Analytik. Dies hat Zeit gebraucht», so König. Darum dauerte es so lange, bis die Mitteilung über die nicht saubere Urinprobe erfolgte. Ernst König informierte auch darüber, was das weltweit nur äussert selten auftauchende Dopingmittel Zeranol bewirkt: «Das Anabolikum Zeranol fördert das Muskelwachstum und den Fettabbau.» Wie die gefundene Substanz in Flückigers Blut gelangte, steht noch nicht fest. Und so lange gilt die Unschuldsvermutung. Mathias Flückiger kann die Öffnung der B-Probe beantragen und sich zum Vorgefallenen äussern.  Derzeit gibt der sich in der Schweiz befindende Mathias Flückiger keine Auskunft. Wie kam die nur schwer zu verdauende Nachricht bei seiner Familie an? Die Familie kann und will sich zum laufenden Verfahren nicht äussern. Sie gibt aber auf Anfrage zu verstehen, dass Mathias eine solche Tat nie begehen würde.

So oder so eine schwierige Situation
Die nächsten Wochen werden Klarheit schaffen. Ist das Unvorstellbare doch die Wahrheit, tut Mathias Flückiger gut daran, bald vor die Öffentlichkeit zu stehen und seinen Misstritt einzugestehen.  Es wäre gleichbedeutend mit seinem Karrierenende. Falls das Doping nicht wissentlich geschehen sein sollte, wird eine gewaltige Sisyphusarbeit nötig sein, um das Gegenteil zu beweisen. Das Brutale an der Situation ist die Tatsache, dass die Meinungen längst gemacht sind und selbst bei einer Unschuld von Mathias Flückiger dieser Dopingverdacht über ihm schwebt wie ein Damoklesschwert. In den sozialen Medien wird der Leimiswiler aktuell noch härter und primitiver angegriffen als nach seinem Lenzerheide-Rencontre mit dem Churer Nino Schurter. Dabei geht im Schutz der Anonymität im weltweiten Netz neben dem Anstand komplett vergessen, dass bis zur definitiven Klärung dieses komplexen Falles für den Oberaargauer die Unschuldsvermutung gilt. Es gibt viele Fragezeichen. Dazu Dopingexperte Ernst König gegenüber SRF:  «Wie lange das Verfahren dauern wird, ist schwierig abzuschätzen. Wichtig ist, dass alle beteiligten Parteien sich genügend Zeit nehmen, um seriös und detailliert herauszufinden, was passiert ist und wie die positive Probe zustande kommen konnte. Gleichzeitig haben wir überhaupt kein Interesse, dieses Verfahren länger dauern zu lassen, als es nötig ist.» Der Druck beim Oberaargauer Bikestar dürfte kaum erträglich sein.

Huttwiler Grossanlass zittert
Ganz schwierig ist die aktuelle Situation für den geplanten Grossanlass «Bike Village Huttwil» vom letzten September-Wochenende. «Das OK Bike Village Huttwil steht ganz klar für sauberen und fairen Sports-Geist, gelebt am bald stattfindenden Bike-Fest für die Regionen Oberaargau, Emmental und Luzerner Hinterland. Dopingvergehen werden mit aller Entschiedenheit verurteilt. Konsequenterweise wurde Mathias Flückiger per sofort und bis zur abschliessenden Klärung des Sachverhalts von seiner Rolle als Botschafter und seinen Aufgaben im Organisationskomitee entbunden», teilte das Organisationskomitee mit. «Über eine weitere Zusammenarbeit wird nach dem Vorliegen der B-Probe entschieden. Weitere Auskünfte werden bis dahin nicht erteilt.» Bei einer Unschuld von Mathias Flückiger ist es denkbar, dass das grosse Finale der dreiteiligen ÖKK Bike Revolution-Rennserie – wo notabene Nino Schurter zum vierköpfigen OK gehört – in Huttwil stattfindet. Sollte sich die Dopinggeschichte um Mathias Flückiger tatsächlich zum Schlechten wenden, ist die Veranstaltung in Huttwil praktisch undenkbar. In der ganzen bisherigen Eventarbeit trat Mathias Flückiger als Botschafter, Zugpferd, OK-Mitglied und beworbene Hauptattraktion des Eliterennens in Erscheinung. Mit seinem Namen wurden die Sponsorengelder generiert. Die Glaubwürdigkeit wäre komplett weg.

Von Stefan Leuenberger