• Ein Traktor mit Frontmähwerk kann zu einer tödliche Falle werden. · Bild: Claudia Steffen

  • Katzen lieben hohes Gras und grüne Wiesen und vernachlässigen mögliche Gefahren. · Bild: Claudia Steffen

  • Vergrämungsmethoden helfen bei Rehkitzen, nicht aber bei Katzen. · Bild: Claudia Steffen

21.06.2021
Emmental

Wenn die Wiese für Katzen zur Gefahr wird

Katzen sind die beliebtesten Haustiere der Schweizerinnen und Schweizer. Gemäss dem Verband für Heimtiernahrung leben rund 1,72 Millionen Katzen in der Schweiz (Stand 2019). In fast drei von zehn Haushalten lebt somit ein pelziger Stubentiger. Bei uns auf dem Land fallen jährlich Hunderte von Katzen den Mähmaschinen zum Opfer. Ein Umstand, den es zu verhindern gilt.

Emmental / Oberaargau · Katzen sind sehr unabhängige Tiere. Sie können jedoch ausserordentlich zahm und zutraulich werden, sofern sie als Jungtiere auf die Menschen geprägt wurden. Es sind meist sehr neugierige Wesen, die die Freiheit ebenso zu schätzen wissen wie ein kuscheliges Sofa im Warmen, wenn es draussen kälter wird.
Diejenigen, welche in den Genuss kommen, das Haus nach ihrem freien Willen zu verlassen und zurück zu kehren, halten sich meist auf den Feldern um das Zuhause auf und lauern oft stundenlang gespannt vor einem Mauseloch, um dann im entscheidenden Moment zuzupacken. Dabei haben sie keine Augen und Ohren dafür, was um sie herum geschieht.

Die Mähmonate haben begonnen
Zurzeit häufen sich Berichte über Katzen, die gesucht werden. Charly, drei Jahre alt, wird seit Samstag vermisst … Mimi, siebenjährig, seit einer Woche nicht mehr zu Hause aufgetaucht … Doch woran liegt das in diesen warmen Sommermonaten? Eine traurige wie mögliche Antwort könnten Traktoren mit ihren Frontmähwerken liefern.
Denn grüne Wiesen sind für Katzen ein kleines Paradies. Sie gehen auf die Jagd oder machen im hohen Gras ihr Nickerchen. Aber genau darin liegen die Gefahren. «Früher hat man mit dem kleinen Mäher im Schritttempo Wiese für Wiese abgearbeitet. Dabei konnte man meist rechtzeitig reagieren, wenn sich eine Katze gezeigt hat», erzählt Bauer Fritz Schär aus Auswil. «Heute mit den Traktoren und den Frontmähwerken ist man bereits mit acht Stundenkilometern unterwegs und eine Reaktion, welche Schlimmstes verhindern würde, ist praktisch ausgeschlossen. Ich verjage die Katzen deshalb immer aus den Feldern, wenn ich sehe, dass eine reinhuscht», sagt Fritz Schär, «aber leider sind auch mir bereits mehrere Tiere in das Mähwerk gekommen.» Darunter seien mehrere Katzen und auch ein Rehkitz gewesen. Aber wie reagieren? «Ich habe die Tiere meist erkannt und Kontakt mit den Besitzern aufgenommen, damit diese Bescheid wussten. Es ist auf jeden Fall ratsam, die Nachbarn nach Möglichkeit aufzuklären, damit diese nicht wochenlang suchen, wenn es keine Hoffnung mehr gibt», findet Fritz Schär.

Vergrämungsmethoden für Rehkitze nützen den Katzen nichts
«Glücklicherweise gibt es gute Methoden, die Felder von Rehkitzen zu befreien, bevor sie dem Mäher zum Opfer fallen», sagt Fritz Schär. «Die Wiesen werden zwei bis drei Tage vorher ausgeblendet und meist kurz vorher noch mit einer Drohne überflogen, die mit einer Wärmebildkamera ausgestattet ist.» So kann Schlimmes verhindert werden. Dies gilt jedoch nicht für die Katzen. Denn diese Tiere sind ständig in Bewegung. Und haben sie Angst, so suchen sie rasch das Weite oder ducken sich regungslos im hohen Gras, bis die Gefahr vorüber ist.

Ein verletztes oder totes Tier immer zum Tierarzt bringen
Die Folgen, wenn ein Mähwerk auf ein Tier trifft, sind zumeist tödlich. Das wissen auch die Tierärzte Marc Schneider und Christoph Payer vom Kleintierzentrum in Huttwil. «Die Anzahl verletzter Tiere häufen sich in den letzten Wochen stark. Wir hatten mehrere Fälle von Katzen mit grossen Verletzungen, für viele von ihnen kam jede Rettung zu spät. Diejenigen, die überleben, leiden unter schweren Schnittverletzungen mit Knochenbeteiligung bis hin zu traumatischen Amputationen der betroffenen Gliedmassen», weiss Marc Schneider zu berichten.
«Wir versuchen, die Verletzungen bestmöglich zu versorgen und Gliedmassen zu erhalten. Jedoch bleibt meist leider nur die Möglichkeit, die betroffenen Gliedmassen zu entfernen oder das Tier zu erlösen.»
Generell weisen die beiden Veterinäre darauf hin, dass es immer ratsam ist, eine verletzte oder auch eine tote Katze zum Tierarzt zu bringen. «So können wir den Mikrochip ablesen und die Besitzer über den Verbleib aufklären», sagt Christoph Payer. «Die Besitzer suchen meist wochenlang nach ihren geliebten Vierbeinern, ohne jemals Gewissheit über deren Verbleib zu bekommen.» Hier auf dem Land werden chirurgische Amputationen von Gliedmassen bei Tieren meist sehr kontrovers gesehen. «Ganz klar ist, dass eine Amputation Leben rettet und somit für eine Katze nicht das Ende bedeuten muss. Es ist eindeutig bewiesen, dass ein Vierbeiner auf drei Beinen sehr gut zurechtkommt und die Lebensqualität dabei nur gering beeinträchtig wird», weiss Marc Schneider.

Kommunikation ist gefragt
Es gibt wohl verschiedene Szenarien, um Leben zu retten. Von innen nach aussen mähen soll nicht kontraproduktiv sein. Aber auch Katzenbesitzer können in die Pflicht genommen werden. Mancherorts sieht man entsprechende Infozettel am Feldrand, die über baldiges Mähen informieren. Oder es werden Flyer in der Nachbarschaft verteilt. Eine weitere Möglichkeit sind Whatsapp-Gruppen, in denen Bauern Katzenfreunde vorwarnen können, damit diese ihre Tiere zum fraglichen Zeitpunkt bei sich behalten. Generell kann aber davon ausgegangen werden, dass es nur noch wenige Stunden dauert, bis ein Feld abgemäht wird, wenn die weissen Säcke als Vergrämung der Rehkitze angebracht werden. In dieser Zeit sollten jegliche Vierbeiner in Sicherheit gebracht werden, um blutige Zusammentreffen mit den Mähwerken zu vermeiden.

Von Claudia Steffen