• «Wenn man diesen Beruf wählt, ist man sicher kein Morgenmuffel», sagt Denise Bärtschi lachend. · Bilder: Barbara Heiniger

  • Morgens um halb vier Uhr beginnt für Thomas Schenk der Arbeitstag in der Backstube.

16.07.2020
Huttwil

Wenn frischer Brotduft die Nachtluft erfüllt

Wenn morgens um halb vier in der Backstube Lienhart am Brunnenplatz das Licht angezündet wird, sind jeweils zwei hellwache Fachpersonen voll auf ihre Arbeit konzentriert. Auf dem Weg dahin begegneten die Bäckersleute auch öfters mal «Partytigern», die den Heimweg ins Bett nicht mehr geschafft und sich vor der Backstubentür dem Schlaf gewidmet haben.

Sommerserie Nachtarbeit · Die Zeiten haben sich geändert. Während ihre Vorgänger im vergangenen Jahrhundert noch die halbe Nacht um die Ohren schlugen, um in der Backstube frische Brote und Gebäck für die Kundschaft frühmorgens bereitstellen zu können, leisten die Mitarbeitenden der Bäckerei Confiserie Glacerie Lienhart am Brunnenplatz, Huttwil, nicht mehr ganz so viele Nachtarbeitsstunden in der Backstube. Dank modernen Technologien und innovativen Teigführungen können die Arbeitszeiten in der Bäckerbranche ständig verbessert werden. Noch immer erleben aber die Fachleute rund um die frischen Backwaren Arbeit und Zeit in der Nacht als etwas Spezielles.
«Unser Ziel ist es, wenn sich die Ladentüre um halb sieben Uhr am Morgen öffnet, dass von allen Produkten etwas in den Regalen ist. Um das zu realisieren, reicht es vollkommen, wenn zwei Personen ab halb vier Uhr in der Backstube arbeiten», erzählt Thomas Schenk und ergänzt mit einem Lächeln, dass sein Backstubenteam und er nicht unbedingt die ganze Nacht durcharbeiten wollen.
 
Nachtstunden effizient einsetzen
Wenn morgens um halb vier in der Backstube am Brunnenplatz das Licht angezündet wird, sind jeweils zwei hellwache Fachpersonen voll auf ihre Arbeit konzentriert. Es gilt, die vier Backöfen möglichst schnell zu füllen und darum wird der vorbereitete Teig gekonnt zu verschiedenen Broten verarbeitet. «Wir führen die Teige über die Kälte, das heisst, wir machen sie bereits am Vortag und lassen sie bei idealen Temperaturen im Kühlschrank ruhen», erklärt Denise Bärtschi. Die Bäckerin/Konditorin EFZ macht gerne die Nachtschicht und produziert die feinen Brote. Die Hefe mag es warm, bei einer Temperatur um 32 Grad erreicht sie ihr Triebmaximum, bei etwa minus 7 Grad stellt sie die Aktivität gänzlich ein. Bei einer kalten Teigführung kann man diese Eigenschaften bestens nutzen. Das langsame Reifen gibt dem fertigen Brot auch ein kräftigeres Aroma, die Qualität und der Geschmack sind zudem hervorragend. «Wir versuchen, die Nachtstunden so effizient wie möglich zu füllen und darum ist der Takt weitgehend vorgegeben. Unsere zweite Schicht fängt um fünf Uhr an. Der gros­se Vorteil ist, dass unsere Bäckerei keine Filiale hat, sonst wäre dies wohl früher», erklärt Thomas Schenk. Nach der Herstellung vom Brot und den verschiedenen Brötchen werden Sandwiches gefüllt, belegte Brötli belegt, Birchermüesli gemischt und in der Patisserie gibt es auch viel zu tun. Natürlich werden auch noch die beliebten Gipfeli in den Ofen geschoben. Das Ziel in der Backstube ist, jeweils morgens um sieben, wenn die Welt ja noch in Ordnung ist, fertig zu sein. Da beginnt auch die dritte Schicht mit der Arbeit. Nach einer Pause beginnt bereits wieder die Teigherstellung für den nächsten Tag, damit wieder viele verschiedene Brotsorten entstehen.

Erlebnisse in der Hintergasse
Während der Laden zum Brunnenplatz hin ausgerichtet ist, ist die Backstubentüre am Weg zur Hintergasse und einige Stufen die Treppe hinunter. «In dieser eher dunkleren Ecke gab es schon spannende Erlebnisse mit diversen Nachtlebewesen», erzählt Denise Bärtschi lachend. So kam es bereits öfters vor, dass sich müde «Partytiger» zum guten Schlaf vor die Türe hinlegten. In den frühen Samstag-morgenstunden waren ebenfalls schon nicht mehr ganz trittsichere Heimkehrer der Meinung, sie könnten nun bereits ein frisches Gipfeli abholen. Da war gutes Zureden und vor allem Stützhilfe sehr nötig. «Es hat auch Vorteile, wenn man in der Nacht arbeitet. Auf dem Arbeitsweg gibt es keinen Verkehr, es ist eine wunderbare Ruhe und oftmals begegnet man sonst scheuen Tieren», so Denise Bärtschi. «Wenn man diesen Beruf wählt, ist man sicher kein ‹Morgenmuffel›, darum kommt es auch kaum vor, dass sich jemand verschläft.» Falls doch mal dieses Malheur passiert, läute sicher schnell das «Buschtelefon». «Es hat auch einen grossen Vorteil, wenn man früh mit der Arbeit beginnt, am Mittag ist bereits Feierabend. So ist es auch möglich, sein Netzwerk und Hobbys zu pflegen», hält Thomas Schenk fest. In der Bäckerei Confiserie Lienhart arbeiten in der Backstube maximal vier Personen, in der Konditorei-Confiserie im Durchschnitt drei.

Beruf attraktiv machen
«Es ist wichtig, dass die Kunden wissen, dass die Produkte, die im Geschäft verkauft werden, von uns selber und in Handarbeit hergestellt werden», betont Thomas Schenk. Der Bäcker-Konditor-Meister ist auch aktiv daran beteiligt, wenn die Bäckereibranche versucht, die Arbeitszeit mehr in den Tag zu verschieben. Damit werden für neue Fachleute der Beruf und die Arbeitszeit attraktiver gemacht. Mit den modernen Technologien ist dies auch immer besser möglich. Ganz sicher aber bleibt der frische Brotduft in der Nachtluft noch lange bestehen. Es ist auch immer wieder ein besonderes Erlebnis, in der Backstube beim Blick durch das Fenster den Tag erwachen zu sehen.

Von Barbara Heiniger