• Statt Eklat beste Leistung aller Zeiten: Langnaus Todd Elik in der Ligaqualifikation gegen Chur im Frühling 1999. · Bild: Keystone

28.04.2020
Sport

Wie der beste Todd Elik aller Zeiten den grössten Hockey-Skandal verhinderte

Nur mit viel, viel Glück kommt unser Hockey im Frühjahr 1999 um den Flaschenwurf von Chur – um den wohl grössten Skandal der Geschichte – herum. Ausgerechnet dank Rock’n’Roller Todd Elik.

Eishockey · Es ist die Geschichte über zwei der bestgehüteten Geheimnisse unseres Hockeys. Liga-Qualifikation 1999. Chur gegen Langnau. Der NLB-Meister gegen den Playout-Verlierer der NLA. Ein Drama in sieben Akten. Es geht um einen Platz in der höchsten Liga. Chur will unbedingt nach oben, Langnau versucht, den sofortigen Wiederabstieg zu vermeiden. Der Liga-Benjamin hat in 36 Qualifikationspartien bloss 18 Punkte geholt und ist mit einem Torverhältnis von 112:221 einer der schwächsten Neulinge seit Einführung der Playoffs. Chur ist also klarer Favorit.

Hetzkampagne durch Churs Manager
Skandalös ist an und für sich bereits die Machtfülle von Churs Manager Heini Schmid. Der ehemalige Kult-Schiedsrichter ist zugleich im Teilamt für die Ausbildung der Schiedsrichter zuständig und wird dafür vom Verband bezahlt. Für diese entscheidende Serie tritt er nicht einmal in den Ausstand. Eine Verfilzung, die nicht nur im Emmental als mafiös bezeichnet wird.
Im drittletzten Spiel am 5. April 1999 in Chur wird Langnaus Todd Elik provoziert und legt sich mit den Zuschauern an. Er begeht den Fehler, mit dem Stock in die hinter der Spielerbank stehenden Zuschauer zu schlagen. Heini Schmid spielt den Namen des Knaben, der von Todd Eliks Stock getroffen worden sein soll, schlau den Medien zu und löst damit eine regelrechte Hetzkampagne gegen den Kanadier aus. Was für ein Unhold, der mit dem Stock ein armes, braves, unschuldiges Kind schlägt. Lebenslänglich sperren.
Todd Elik wird für zwei Spiele gesperrt und damit ist die Saison für ihn eigentlich beendet. Langnau kann aber mit einem Rekurs eine aufschiebende Wirkung erreichen (was heute nicht mehr möglich wäre), so dass Todd Elik für das alles entscheidende Spiel am 10. April in Chur doch antreten kann.

Ein Tor und sechs Assists
Die Langnauer gewinnen dieses alles entscheidende siebte und letzte Spiel in Chur nach einem 0:2-Rückstand mühelos 7:2. Die Partie ist nach zwei Dritteln entschieden, Todd Elik bucht sechs Assists und ein Tor. Eine der grössten Einzelleistungen in der Geschichte unseres Hockeys. Langnau bleibt oben, Chur wird ein Jahr später dank der Aufstockung der höchsten Liga auf 12 Teams den Aufstieg schaffen und im Frühjahr 2002 in der Liga-Qualifikation gegen Servette den Platz in der NLA verlieren. Heute spielen die Bündner in der «MySports League» mitunter gegen Hockey Huttwil.
Todd Eliks «Jahrhundertspiel» wäre vermutlich nicht einmal nötig gewesen. Denn die SCL Tigers hätten dieses Spiel gar nicht verlieren können. Diese Geschichte ist eines der bestgehüteten Geheimnisse unseres Hockeys. Die mangelhafte Platzorganisation der Churer ist nämlich bereits vor dem letzten Spiel bekannt und offiziell vom Verband scharf gerügt worden. Immer wieder sind die Langnauer in Chur auf der Spielerbank mit Bier überschüttet und verbal provoziert worden. Was ja den Skandal um Todd Eliks Publikums-Stockschlag ausgelöst hat. Die Churer sind aufs strengste ermahnt worden, gibt es noch einmal einen Zwischenfall, dann geht die Partie Forfait verloren.

Die geplante Bierflaschen-Aktion
Darauf bauen die schlauen Emmentaler im Kampf gegen die Churer Mafia. Einer ihrer Bandengeneräle und der Klubarzt – beide Namen sind mir leider entfallen – haben alles genau besprochen und vorgekehrt. Droht im Schlussdrittel eine Niederlage, wird sich der besagte Langnauer Funktionär auf einmal an den Kopf greifen. Vom Boden bei der Langnauer Spielerbank wird er die Bierflasche aufheben, die er während des Spiels im Mantel versteckt hält.
Mit Ketchup wird Blut am Kopf simuliert und der Klubarzt wird den unglücklich Getroffenen, der sich demonstrativ schmerverzerrt den Kopf hält, über das Eis in die Kabine geleiten. Und ihm dort sogleich und heimlich mit einem kleinen Schnitt in die Kopfhaut eine echte Wunde zufügen. Der ultimative Beweis für den Flaschenwurf. Die Forfaitniederlage der wegen mangelhafter Platzorganisation bereits vewarnten Churer wäre damit Tatsache. Der Flaschenwurf von Chur, der nicht stattfinden musste.

Eklat vor dem Spiel verhindert
Ist das, was die Langnauer da unter Cheftrainer Köbi Kölliker vorgekehrt hatten, verwerflich oder gar ein Skandal? Ja und nein. Es war, juristisch gesehen, wohl eher Notwehr gegen die Churer Mafia. Denn auch das zweitbestgehütete Geheimnis unseres Hockeys rankt sich um diese nachgerade legendäre Partie. Der Schlaumeier Heini Schmid hatte nämlich vorgehabt, einen Churer Spieler (auch sein Name ist mir leider entfallen) damit zu beauftragen, Todd Elik bereits beim Warmlaufen vor dem Spiel und nicht erst während des Spiels zu provozieren, niederzuschlagen und ausser Gefecht zu setzen.
Vorsichtshalber erkundigte er sich vor dieser schicksalsschweren Auseinandersetzung bei seinen Verbandskollegen, was eigentlich passieren würde, wenn es lange vor dem Spiel, beispielsweise beim Warmlaufen, zu einen Eklat kommen sollte und dabei zufälligerweise Todd Elik ausrasten sollte. Die Antwort: Das sei nicht ganz klar, aber Chur riskiere in diesem Fall eine Forfaitniederlage. Und Heini Schmid verzichtete auf den Kamikaze-Einsatz.

Der beste Elik aller Zeiten
Verrückt, aber wahr: Ausgerechnet Todd Elik, der meistbestrafte Spieler der Saison1998/99 (169 Strafminuten in 36 Qualifikationspartien), der charismatische Bösewicht, hat unser Hockey in der letzten Saison des 20. Jahrhunderts vor dem wohl grössten Skandal der Geschichte bewahrt. Der Grund, warum er so gut spielte, kennen wir auch. Brent Reiber, damals Head-Schiedsrichter, erinnert sich noch gut: «Todd sagte mir vor dem Spiel: Keine Sorge Brent, heute Abend spiele ich Hockey …» Was er dann ja auch getan hat: ein Tor und sechs Assists. Und auch sonst war er gut wie vorher und nachher nie mehr: In 36 Qualifikationsspielen hatte er 60 Punkte gebucht. In den acht Partien der Playouts und der Liga-Qualifikation (drei Partien fehlte er wegen Sperren) legte er sage und schreibe 27 Punkte nach (6 Tore, 21 Assists). Wir haben im Frühjahr 1999 den besten Todd Elik aller Zeiten gesehen.

Von Klaus Zaugg