• Adrian Keller mit seinem X-Alps-Betreuerteam Dina Sägesser (links) und Mi Maldini (rechts). – Bild: zvg

08.07.2019
Sport

Wo Thermik, Knowhow und Muskelkraft entscheiden

Von Salzburg nach Monaco ausschliesslich mit Hilfe der eigenen Muskelkraft und mit der Gunst des Windes: Nur die 32 ausgewiesenen Weltbesten werden zum Red Bull X-Alps, dem härtesten Adventure-Rennen der Welt, zugelassen. In diesem Jahr, vom 16. bis 27. Juni, war Adrian Keller aus Gomerkinden, Mitglied des Gleitschirmclubs Emmental, dabei. Eine Riesenleistung für den 40-Jährigen, der mit sich selbst allerdings nicht vollends zufrieden ist.

Flugsport · «Die Red Bull X-Alps als internationaler Wettkampf hat bei den Gleitschirmteams den Status Olympischer Spiele», sagt Adrian Keller im Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler». In der Jägerhütte «Hegenlücke», mit herrlichem Blick auf Sumiswald und in der Ferne auf die Berneralpen, wurde er von «seinem» Club, dem Gleitschirmclub Emmental, für seine erfolgreiche Teilnahme an der Red Bull X-Alps 2019 gefeiert. Eben ist er mit dem kleinen Team, seiner Freundin Dina Sägesser und dem Betreuer Mi Maldini, zurückgekehrt – nicht vollends zufrieden mit seinem 19. Rang. «Am zweiten Tag habe ich den Spitzenplatz vergeben. Nach dem sehr guten ersten Tag machte ich einen Fehler, fand keine Thermik wo ich eine vermutet hatte und «soff ab» (so die «Fachsprache»). Anstatt fliegen musste ich dreieinhalb Stunden zu Fuss gehen, bis ich endlich wieder Thermik fand und abheben konnte.» Mit einem kräftezehrenden, 52 km langen Monsterlauf konnte er am vierten und fünften Tag immerhin einige Plätze gutmachen.


Die 32 Besten sind dabei

Die Red Bull X-Alps gilt als der härteste Gleitschirm-Wettkampf und als eines der härtesten Adventure-Races der Welt. Über mehrere Tage, mit lediglich den nötigsten Pausen und Erholungsphasen, wird der Wettkampf alle zwei Jahre von den 32 weltbesten Gleitschirmfliegern ausgetragen, die sich auch im athletischen Bereich sowie mit ihrer Erfahrung im Hochgebirge ausweisen müssen. Der Wettbewerb hat den Status einer inoffiziellen Weltmeisterschaft, von Olympischen Spielen. Zum sechsten Mal wurde sie 

in diesem Jahr vom «Adler von Adelboden», von Christian Maurer, gewonnen. 

Von Salzburg nach Monaco

Das Ziel des Wettkampfes ist, von Salzburg aus den Alpenbogen bis Monaco über rund 1100 km hinweg zu überqueren. Die genaue Streckenführung wird jährlich neu festgelegt. Die einzigen erlaubten Fortbewegungsmittel sind der Flug mit dem Gleitschirm und die Fortbewegung zu Fuss. Der Monstertrip dauert mindestens elf Tage. Der Athlet muss seine Ausrüstung während der Fortbewegung zu Fuss oder durch die Luft stets auf sich tragen. Der Kraftakt ist gigantisch, die Vorbereitungszeit entsprechend lange.

Vor rund zehn Jahren hat der «Bewegungsfanatiker» Adrian Keller aus Gomerkinden erstmals mit dem Gedanken gespielt, an der Red Bull X-Alps teilzunehmen. Der 40-jährige Ski- und Velomechaniker fuhr über zehn Jahre national und international Bikerennen, nahm an Läufen teil, ist oft als Kletterer in den Bergen, bewegt sich in der Freizeit täglich mit seinen Hunden draussen in der Natur. Vor sechs Jahren wurde die Idee konkret. «Da begannen auch schon unsere Vorbereitungen», sagt er gegenüber dem «UE». 

Er reduzierte das Arbeitspensum, schraubte die Trainingseinheiten hinauf. Auffallend: Er redet immer von «uns». «Das Team ist das wichtigste. Ohne den Support meiner Freundin Dina Sägesser und meinem Betreuer Mi Maldini wäre eine Teilnahme ausgeschlossen.» Die Assistenten dürfen den Piloten mit Informationen, Nahrung und Ausrüstung versorgen, fahren wenn möglich für die Übernachtungen mit dem Bus in die Nähe und dienen als Bindeglied zur Rennleitung. Es sind zwei Assistenten zugelassen. Trainings und Finanzielles nahmen die drei über Jahre hinweg vollkommen in Anspruch. Um – nebst dem trainingsbedingten Lohnausfall – die hohen Kosten zu decken, ist Sponsoring unumgänglich, aber schwierig zu bewältigen. «Gleitschirmfliegen ist eine Randsportart», so Adrian Keller.

So weiss er noch nicht, ob er und mit ihm sein kleines Team auch nächstes Mal bei der Red Bull X-Alps mitmischen werden. «Im Herbst findet im Tessin die Hike & Fly-Schweizermeisterschaft statt. Anschliessend werden wir «über die Bücher» gehen. Wenn ich 2021 erneut eine Teilnahme in Betracht ziehe, werden die Vorbereitungen einschliesslich Trainings und Sponsoring umgehend wieder sehr konkret.»

Der Gleitschirmclub Emmental

Im 1992 gegründeten Gleitschirmclub Emmental hat Adrian Keller einen «Sonderplatz», ist der einzige, der sich im Rahmen des Gleitschirmfliegens solch riesigen Herausforderungen unterzieht. Der Club an sich hat rund 100 Mitglieder ab dem Jugendalter bis ins hohe Alter hinein. Diese sind, vielfach spontan, im «Heimfluggebiet» am «Bisenhoger» (Rütiberg) in Hasle b.B. tätig. Dazu kommen jährlich eine Woche Club-Ferien, Weekends und einzelne Streckenflug-Konkurrenzen. Sportliche Herausforderungen, wobei Technik und das Spiel mit der Thermik und der Natur eine grosse Rolle spielen, dazu viel Geselligkeit machen das Club- leben aus (gcemmental.ch).


Von Liselotte Jost-Zürcher