• Sie versetzten die Langenthaler Eishockey-Welt mit den Ausführungen zum Rückzug des SCL aus dem Profibereich in Schockstarre (von links): Hans-Christian Schneider, Gian Kämpf, Reto Müller und Markus Gfeller. · Bilder: Leroy Ryser

13.12.2022
Sport

Zwischen Frust, Ärger und Konsternation

Während das Umfeld des Schlittschuhclubs Langenthal unter Schock steht, versuchen die Verantwortlichen nun, Hoffnungen auf eine neue Zukunft aufzubauen. Klar ist aber, dass der Rückzug des SC Langenthal aus dem professionellen Spielbetrieb grosse Wellen schlägt.

Schlittschuh-Club · Der Schock in Langenthal sass ein Tag nach der Kommunikation über den Rückzug aus dem professionellen Eishockeyzirkus des SC Langenthal tief. Bei der öffentlichen Medienveranstaltung, welche vom SCL im Nachzug an die Kommunikation abgehalten wurde, kamen nicht nur zahlreiche Medienvertreter, sondern vereinzelt auch Fans. Auf die Frage, wie es ihm gehe, überlegte Fabian Fankhauser lange. Wirklich lange. «Ich bin konsterniert», brachte der 31-Jährige letztlich gerade so raus. Irgendwie habe man es gespürt, vielleicht auch ein wenig kommen sehen, aber letztlich sei die Enttäuschung über die nun bekannten Tatsachen riesig. «Ich weiss noch gar nicht, wie ich darauf reagieren soll.» Zwar sei er, nach langer Ungewissheit, erleichtert zu wissen, wie und dass es in Zukunft mit dem SCL weitergehen wird. «Ich schaue sehr gerne Eishockey und wenn das Niveau ansprechend ist, werde ich auch künftig Eishockey in Langenthal schauen gehen. Aber aktuell ist der Schock so gross, dass ich gar nicht weiss, wie es weitergehen wird für mich als Fan.»

Hoffnung auf Liga-Anpassungen
Nicht nur Fan, aber auch, ist Remo Rudiger. Der Familienvater ist Präsident des Donnerstag Club Oberaargau, der als Sportförderer der Region Langenthal gilt, weshalb Rudiger den SCL aus mehreren Gründen seit Jahren verfolgt. «Ich bin traurig. Ein solches Ende hätte ich nicht erwartet.» Über verpasste Massnahmen wollte sich Rudiger aber nur wenig ärgern, weil «ich glaube, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Die Liga ist jetzt am Zug. Und vielleicht stehen auch an-dere Clubs vor gleichen Problemen, was Auswirkungen auf eine mögliche zweithöchste Liga haben könnte.» Dass der SCL in einer zweithöchsten Liga als Amateurverein antreten könnte, ist eine der Hoffnungen, welche die Fans haben.

Stadt spürt Frust und Wut
An der Medieninformation versuchten sich die Verantwortlichen zu erklären. Gian Kämpf als VR-Präsident der SC Langenthal AG, Reto Müller als Stadtpräsident, Markus Gfeller als Delegierter der Stadt für die Kunsteisbahn Schoren und Hans-Christian Schneider als Kernaktionär standen Red und Antwort. Auch für die Stadt sei dieser Schritt enttäuschend, der Frust und die Wut, die in den Reaktionen aus der Bevölkerung dominierten, könne er nachvollziehen, sagte Reto Müller. «Es ist auch für uns enttäuschend. Ich habe den Traum lange geträumt, dass wir es ins Hard schaffen, aber vielleicht haben wir diese Vision zu lange geträumt.» Auf den Vorwurf, dass die Stadt dem SCL den entscheidenden Sargnagel eingeschlagen habe und nun mit Unterstützungsbeiträgen, wie sie nun versprochen wurden, zu spät komme, reagierte Müller  zweigeteilt. «Wir sind weder hauptverantwortlich noch ohne Verantwortung für dieses Geschehen. Es ist nicht die Aufgabe der Stadt, Profisport zu betreiben. Aber das Resultat ist schade und im Nachhinein kann man einfach sagen, dass wir Dinge anders hätten machen sollen», erklärte der Stadtpräsident. Auch deshalb sei man nun bemüht, Unterstützung zu bieten, um den neuen SCL gesund in die Zukunft überführen zu können.
Das sei auch ihm ein grosses Bedürfnis, betonte Hans-Christian Schneider als Kernaktionär. «Der SCL hat ohne die Stadt keine Zukunft. Deshalb ist auch eine rasche Antwort nötig, wie es weiter geht», so der CEO der Firma Ammann Schweiz AG. Der Schoren, den die Stadt nun weiterentwickeln will und entsprechende Gespräche dazu bereits aufgenommen hat, habe immer noch ein Ablaufdatum. Abgesehen davon werde er persönlich sich auch weiterhin für den SCL engagieren, versprach der Unternehmer. Wie dieses Engagement aussieht, hängt aber auch davon ab, wie der SCL künftig aussehen wird.

Geschockte Spieler suchen Job
Wie es sportlich weitergehen soll, ist noch nicht gänzlich geklärt. «Ziel ist es, dass wir in der MyHockey League starten», sagte Gian Kämpf. Dafür wurde nun eine Taskforce geschaffen. Ob das überhaupt möglich ist, hängt auch davon ab, ob neue Personen als Zugpferde gefunden werden, die den Verein nach vorne treiben. Auch für die Spieler ist es keine einfache Situation, verdient doch ein grösserer Teil der Mannschaft mit dem Eishockey seinen Lebensunterhalt. «Ich wollte nie mehr an einem anderen Ort spielen. Ich wollte für kein anderes Team mehr spielen in meiner Karriere. Und jetzt soll das einfach fertig sein?» Teamspieler Dario Kummer kann die Welt nicht mehr verstehen. Entsprechend schlecht sei es ihm just nach der Bekanntmachung auch gegangen, weiterhin dominieren Enttäuschung und Frust. «Gibt es denn wirklich keine andere Lösung? Wie konnte es so weit kommen? Solche Fragen stelle ich mir derzeit ständig», sagte der Captain weiter, der in Langenthal aufwuchs, zur Schule ging, zwei Meistertitel mit seinem Heimatclub feiern durfte und hier zum wichtigsten Schweizer Spieler in dieser Liga heranreifte. «Als Team versuchen wir das irgendwie zu verdrängen. Wir versuchen uns zu unterstützen. Aber grundsätzlich ist der Schock gross.»
«Ich wusste im ersten Moment gar nicht so richtig, was ich mit mir anfangen soll», sagte Teamspieler Fabio Kläy. Mit der Aufforderung, dass sich die erste Langenthaler Eishockeymannschaft am freien Tag im Restaurant Bären einfinden muss, habe er geahnt, dass etwas passiert sei. Letztlich sei es eine unschöne Überraschung gewesen. «Die Stimmung in der Mannschaft war im ersten Moment komisch», so der Stürmer, der nach einer Verletzung wieder trainiert. Was er persönlich daraus mache, wisse er noch nicht. «Einen Job suchen», witzelte Kläy im ersten Moment, vorerst aber gelte es, die Saison mit dem SCL zu Ende zu spielen. Schon am Folgetag nach dieser Nachricht habe man hart trainiert und versucht, den Fokus nach vorne zu richten. Ganz so einfach ist das aktuell aber nicht. Und das gilt im SCL-Umfeld längst nicht nur für die Spieler.

Von Leroy Ryser